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Wird der Bitcoin-Spot-ETF eine Enttäuschung?

Bitcoin Münzen mit Börsen-Chart im Hintergrund
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Kommt wirklich eine riesige Menge an neuem Kapital angerollt, wenn der Bitcoin-Spot-ETF in den USA zugelassen wird? Das ist die Gretchen-Frage, die den Krypto-Sektor derzeit umtreibt. Blickt man auf das Stimmungsbild am Krypto-Markt, scheint der ETF aus Sicht vieler Investoren der entscheidende Faktor für den Bullrun zu sein. Es gibt jedoch einige Aspekte, die die hohe Erwartungshaltung des Marktes infrage stellen. Um ein differenziertes Bild zu erhalten, lohnt es sich, beide Seiten der Medaille genauer zu betrachten:

Argumente für einen starken Preisanstieg

Die Pro-Argumente zeichnen ein auf den ersten Blick einleuchtendes Bild: Ein ETF als reguliertes Finanzprodukt könnte eine neue Investorenklasse für den Krypto-Markt erschließen. Registrierte Anlageberater, Rentenfonds und andere Finanz-Institutionen, die bisher eingeschränkten oder keinen Zugang zu Bitcoin haben, würde die Tür in die Assetklasse Kryptowährungen geöffnet. ETFs würden es großen Geldverwaltern und Institutionen erleichtern, Bitcoin zu kaufen und zu halten, was die Liquidität und Preisfindung für alle Marktteilnehmer verbessern würde. Ein Marktreport von Galaxy legte das bereits im Oktober nahe.

Hinzu kommt das Timing für eine mögliche Zulassung des ETFs im Januar oder im März 2024: Aufgrund der wachsenden geopolitischen Spannungen und einer zunehmenden Dysfunktion wichtiger Finanzinfrastrukturen in den USA gibt es weniger Alternativen, um Kapital sicher zu parken. Konkret kann man hier unter anderem die wachsenden Probleme im US-Bankensektor und die Unruhen an den Anleihemärkten in den letzten Monaten nennen. Bitcoin als autonomes System ist bereits im Jahr 2023 als Alternative wieder deutlich attraktiver geworden.

Gleichzeitig deuten die Zeichen zunehmend wieder auf eine Rückkehr zu einer lockeren Geldpolitik der Zentralbanken und damit einer Zunahme der Liquidität an den Märkten. Ein Umfeld, in dem Bitcoin sich in der Vergangenheit aufgrund seiner digitalen Limitierung besonders hervorgetan hat. Somit wird Bitcoin von gleich zwei unterschiedlichen Richtungen begünstigt: seinen Qualitäten sowohl als Risk-Off-Asset (im Sinne des Kapitalschutzes) als auch als Risk-On-Asset (um von einer Ausweitung der Geldmenge zu profitieren).

Ein letzter, nicht unerheblicher Punkt ist die Gebührenstruktur, die durch eine Zulassung eines ETFs für den weltweiten Bitcoin-Handel wesentlich verbessert werden könnte. Bitcoin-On-Chain-Transaktionen haben in diesem Jahr wieder mehrere Phasen starker Anstiege erlebt, da durch sogenannte Ordinals der Transaktionsverkehr auf der Bitcoin-Blockchain deutlich in die Höhe geschossen ist. Bei Ordinals handelt es sich grob gesagt um eine Bitcoin-Version von NFTs, die in diesem Jahr durch eine entdeckte Lücke in der Transaktionsfunktion von Satoshis, der kleinsten Einheit eines Bitcoins, möglich gemacht wurden.

Transaktionskosten für Bitcoin notieren momentan wieder in einem zweistelligen Dollar-Bereich, was das Investieren kleinerer Positionen deutlich unrentabler macht. Auch die Kosten auf Krypto-Handelsplattformen sind nicht unerheblich, wie zuletzt von Nate Geraci, Co-Founder des Investmentunternehmens The ETF Store, in einem Tweet deutlich gemacht wurde.

In einer entsprechenden Antwort hat Eric Balchunas, Senior ETF Analyst bei Bloomberg, darauf hingewiesen, dass die durchschnittlichen Transaktionsgebühren beim Handel mit ETFs um ein Vielfaches geringer ausfallen und dies auch auf einen Bitcoin ETF zutreffen wird.

Diese Argumente zeigen, dass ein Bitcoin-ETF ein zusätzliches Fundament für eine starke Preisentwicklung im nächsten Jahr liefern könnte, da er die Rahmenbedingungen für den Handel mit Bitcoin an den Finanzmärkten an vielen Stellen deutlich verbessert.

Argumente gegen einen starken Preisanstieg

Bei all der Euphorie um eine mögliche Zulassung für einen Bitcoin-Spot-ETF darf man jedoch nicht vergessen, was der ETF eigentlich ist: ein Werkzeug, mit dem man in Bitcoin investieren kann. Ein Werkzeug allein, auch wenn es den Zugang für eine gewisse Gruppe an Investoren einfacher und den Handel mit dem zugrundeliegenden Asset effizienter macht, führt nicht dazu, dass die Nachfrage nach dem Asset steigt. Die Nachfrage wird durch den Nutzen des Assets bestimmt.

Wie im vorherigen Kapitel bereits erläutert, ändert sich das makroökonomische Umfeld in eine Richtung, die den nächsten Bitcoin-Bullrun begünstigt. Der deutliche Preisanstieg von Bitcoin in 2023 ist der Beweis dafür, dass das Interesse an dem Asset wieder steigt. Da zumindest momentan alle Anzeichen darauf hindeuten, dass es weiter in die Richtung einer geldpolitischen Lockerung geht, ist es plausibel, dass uns in 2024 der nächste Bullenmarkt für Bitcoin erwartet.

Aus den genannten Gründen wäre es aus meiner Sicht allerdings ein Fehler, den ETF und dessen Zulassung als maßgeblichen Faktor für die Preisrichtung einzukalkulieren. Sicher wird es um das Event einer möglichen ETF-Zulassung im ersten Quartal 2024 eine Preisreaktion geben. Allerdings wurde durch die entsprechende Erwartungshaltung des Marktes in den letzten Wochen bereits eine Menge eingepreist.

Zudem ist es aus meiner Sicht fraglich, dass sich die angesprochenen institutionellen Marktteilnehmer sofort in Massen auf Bitcoin stürzen werden, nur weil der Weg über das entsprechende neue Werkzeug frei geworden ist. Man kann den institutionellen Sektor nicht mit Privatinvestoren vergleichen, die in großen Teilen eine wesentlich emotionalere und damit volatilere Einstellung zum Markt haben und dementsprechend eher als Verursacher für enorme Preisanstiege infragekommen, die durch bestimmte Events getriggert werden.

Zugegebenermaßen gibt es hier einen Punkt, den man in Betracht ziehen muss: Krypto hat die Spielregeln an den Finanzmärkten zum ersten Mal in einem ganz bestimmten Punkt auf den Kopf gestellt. Normalerweise bewegt sich der Pfad des Kapitalflusses initial über Venture Capital Investments, die erste Finanzierungen für neue Unternehmen möglich machen. Später, wenn diese Unternehmen bereits einen großen Teil des Wachstums und damit der Wertentwicklung hinter sich haben, werden sie öffentlich an den Börsen gelistet. Erst dann bekommt die Allgemeinheit Zugang zu diesen Unternehmen.

Bei Bitcoin und anderen Krypto-Assets ist das genau andersherum. Aufgrund der dezentralen Natur des Sektors hat jeder Privatinvestor sofortigen Zugang, während es für die institutionellen Investoren aufgrund regulatorischer Hürden bisher schwer bis unmöglich war, tief in diesen Sektor einzutauchen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Finanzwelt ist es also so, dass die großen Player spät zur Party kommen, während Privatinvestoren bereits lange mit dabei sind.

Die bisherige Marktkapitalisierung des Krypto-Sektors wurde von vielen kleinen Investoren mühsam über die letzten Jahre aufgebaut. Sollte das Kapital der Wall Street nun in den Sektor fluten, ist die von vielen erhoffte Kursexplosion also nicht vollkommen abwegig.

Fazit aus der Investment-Perspektive

Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass nicht der ETF zu dieser Welle an Kapital führen wird, sondern dass es immer noch der eigentliche Nutzen hinter Bitcoin ist, der für die entsprechende Nachfrage sorgen muss. Der ETF ist lediglich ein Werkzeug (von mehreren) über das dieses Kapital in den Markt strömen kann.

Sollte sich das makroökonomische Bild weiterhin in eine Richtung bewegen, in der die Zentralbanken wieder in eine geldpolitische Lockerung übergehen und damit das Liquiditätsangebot an den Märkten erhöhen, dann wird sehr wahrscheinlich viel dieser Liquidität in Bitcoin fließen. Das sowohl aus Gründen der Absicherung – gegen die Nebenwirkungen dieser anhaltenden geldpolitischen Interventionen – als auch aus Gründen, die spekulativer Natur sind – weil Bitcoin aufgrund seiner digitalen Limitierung besonders gut geeignet ist, die Geldmengenveränderung zu spielen.

Eine sofortige Kursexplosion nach einer ETF-Zulassung halte ich aus diesen Gründen für unwahrscheinlich. Im Zweifel könnte das Enttäuschungspotenzial sogar zunächst zu einem Sell-The-News-Event führen. Am Ende weiß jedoch niemand, was an den Finanzmärkten passieren wird, am wenigsten die Experten.

Denken Sie langfristig!

Nicht der ETF und auch nicht das Halving – Der wichtigste Treiber für den Bitcoin-Bullrun ist ein anderer. Wie dieser Treiber sich derzeit wieder entfaltet und ob er zum nächsten Krypto-Bullenmarkt führen wird, erfahren Sie in der neuen Video-Ausgabe von decentralist.

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