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Bitcoin: Ist die Halving-Preiszyklus-Theorie nur eine Illusion?

Bullishes Candlestick Chart
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Das Halving ist in den Augen vieler Krypto-Investoren die tragende Säule für einen langfristig steigenden Bitcoin-Kurs. Es ist ein vorprogrammierter Mechanismus, der unabhängig von externen Faktoren die Menge an neu geschaffenen Bitcoins, die als Blockbelohnung an Miner ausgezahlt werden, etwa alle 4 Jahre (oder alle 210.000 Blöcke) halbiert. Diese mathematische Endgültigkeit gibt Bitcoin eine einzigartige Form der Knappheit, die andere Assetklassen nicht haben.

Die Theorie besagt, dass sich diese Veränderung des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage – durch ein halbiertes Angebot bei gleichbleibender oder sogar steigender Nachfrage – positiv auf die Preisentwicklung auswirken sollte. Dieses Phänomen wirkt sich jedoch nur innerhalb des Bitcoin-Kosmos aus und nimmt externe Faktoren aus der Gleichung heraus.

Wie sieht die Sache im Kontext anderer Finanzmarktkräfte aus?

Legt man die Halvings als Markierungen auf den langfristigen Bitcoin-Chart, erkennt man, dass sich nach den jeweiligen Halvings der nächste Bullenmarkt innerhalb von etwa zwei Jahren bis zu seinem Peak ausspielt, gefolgt von einem anschließenden Bärenmarkt, bis sich dieser Zyklus durch das nächste Halving wiederholt.

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Setzt man Bitcoin jedoch in den Kontext der übergeordneten Finanzmärkte, erkennt man hier ebenfalls deutliche Zusammenhänge. Der S&P500 ist als Referenz für die globalen Aktienmärkte ein aussagekräftiger Index, da er etwa 80% der US-amerikanischen Wirtschaft abbildet, der relevanteste Wirtschafts-Sektor der Welt. Legt man den Kurs des Bitcoins über den des S&P500, erkennt man eine deutliche Korrelation.

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Ein ähnliches Phänomen erkennt man, wenn man Bitcoin mit dem US-Dollar-Kurs-Index vergleicht, nur dass man hier eine deutlich inverse Korrelation erkennt: Wenn der DXY steigt, fällt Bitcoin und andersherum. Diese Zusammenhänge sprechen dafür, dass der Bitcoin-Preis ebenfalls maßgeblich von Faktoren beeinflusst wird, die auch die übergeordneten Finanzmärkte beeinflussen.

An den Finanzmärkten lassen sich ebenfalls einige zyklische Preisbewegungen erkennen:

Konjunkturzyklen: Wirtschaftliche Phasen der Expansion und Rezession, die die Arbeitslosenraten, Konsumentenausgaben und Unternehmensgewinne und damit auch deren Bewertungen an den Finanzmärkten beeinflussen.

Schuldenzyklen: Perioden des Schuldenaufbaus und -abbaus beeinflussen die Zinssätze und Liquidität und damit auch das Investitionsverhalten.

Liquiditätszyklen: Perioden mit hoher Liquidität und niedrigen Zinsen fördern die Risikobereitschaft, während das Gegenteil in Phasen geringer Liquidität der Fall ist.

Politische Zyklen: Insbesondere der Vier-Jahres-Zyklus der US-Präsidentschaftswahlen bringt eine gewisse Unsicherheit und Volatilität in die Märkte.

Saisonale Zyklen: Sektorspezifische Trends, die Auswirkungen auf die Bewertungen der entsprechenden Unternehmen haben. Bspw. in der Landwirtschaft, im Tourismus oder im Einzelhandel während der Urlaubszeit oder Feiertagen.

Technologische Zyklen: Technologische Durchbrüche können ganze Sektoren und Aktienkurse massiv beeinflussen – und zu möglichen Überbewertungen durch Hypes führen. Die Dotcom-Bubble oder auch die vergangenen Krypto-Hypes wären hier prominente Beispiele.

Demografische Zyklen: Veränderungen in der Altersstruktur können die Nachfrage in bestimmten Wirtschaftssektoren oder auch nach bestimmten Anlageklassen beeinflussen (bspw. die Nachfrage nach sicheren Anlagen wie Anleihen für die Sicherung der Rente).

Veränderte Spielregeln durch Interventionen der Zentralbanken

All diese Zyklen fügen sich als Teilaspekte in das komplexe Gesamtbild der globalen Wirtschaft und Finanzmärkte ein und hängen in vielen Punkten miteinander zusammen. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 kann man jedoch argumentieren, dass die Schulden- und Liquiditätszyklen die relevantesten Einflussfaktoren für die internationalen Finanzmärkte geworden sind.

Das seit vielen Jahrzehnten vorherrschende Fractional Reserve Banking System hat zu einem größtenteils auf Krediten basierenden Wirtschaftskreislauf geführt, der jedoch aufgrund der scheinbar endlosen Möglichkeiten der Geldaufnahme und den dadurch entstehenden Schuldenexzessen im Laufe der Jahre sehr fragil geworden ist. Mittlerweile ist es nötig, dass die Zentralbanken in extremen Maße Einfluss auf den Wirtschaftskreislauf nehmen müssen – durch wiederholte quantitative Lockerung, also eine Erhöhung der Geldmenge und ein Absenken der Zinsen, gefolgt von einer Umkehrung des Ganzen, um eine ausufernde Inflation zu verhindern.

Das hat erhebliche Auswirkungen auf Vermögenswerte, da die Instrumente der Notenbanken, mit denen sie Einfluss nehmen, keinen gleichmäßigen Effekt auf die Wirtschaft und die Finanzmärkte haben. Das Geld fließt zuallererst in die Finanzmärkte und lässt die Preise von Vermögenswerten steigen. Erst später findet es seinen Weg in die Teile der Wirtschaft, wo es unterstützend oder stimulierend wirken soll.

Die Nachteile sind offensichtlich: Wirtschaftsteilnehmer, die im Besitz von Vermögenswerten sind, profitieren schnell von steigenden Bewertungen. Die Gewinne können sie für eine weitere Diversifizierung ihres Kapitals einsetzen und Zinsen aus verschiedenen Vermögenswerten generieren. Wirtschaftsteilnehmer, die wenig oder keine Vermögenswerte besitzen, profitieren nicht von dieser Inflation der Vermögenswerte. Sie leiden jedoch unter der verzögert auftretenden Inflation in der Realwirtschaft, da limitierte Güter und Dienstleistungen auf eine wachsende Geldmenge treffen und die Preise dadurch steigen.


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Bitcoins Rolle im übergeordneten Kontext der Finanzmarkt-Zyklen

Fügen wir nun Bitcoin in diese Gleichung ein. Bitcoin ist ein – im Vergleich zu anderen Anlageklassen – neues Phänomen. Bitcoin als Technologie hat den Anspruch, eine in der digitalen Welt konkurrenzfähige Weiterentwicklung von Geld oder zumindest ein Wertspeicher zu sein. Bitcoin ist in der Theorie eine Antithese zum derzeitigen Geldsystem und soll einen Kreislauf wie oben beschrieben, der nur wenigen Wirtschaftsteilnehmern einen Vorteil bringt und zum Nachteil der Mehrheit ist, verhindern. Auf diesem Adaptionspfad befindet sich Bitcoin und findet sich teilweise bereits in dieser Rolle als tatsächliche Anwendung wieder.

Größtenteils wird Bitcoin an den Finanzmärkten jedoch immer noch als Spekulationsobjekt betrachtet. Es ist im besten Fall eine Wette auf den zukünftigen Nutzen und darauf, dass Bitcoin mehr und mehr in seine angesprochene Rolle hineinwächst. Bitcoin wird jedoch teilweise auch als ein spekulatives Vehikel genutzt, um von einer erneuten Expansion der Geldmenge zu profitieren. Seine digitale Limitierung hilft dabei. Legt man den Bitcoin-Preis über den Chart, der die jährliche prozentuale Geldmengenveränderung der Geldmenge M2 des Dollars abbildet, erkennt man eine deutliche Korrelation. Dieser Tweet zeigt den direkten Vergleich zwischen Geldmenge, Geldmengenveränderung und dem Bitcoin-Preis.

Ausgehend von diesen Argumenten erklärt sich auch die Korrelation mit den Aktienmärkten und die inverse Korrelation mit dem Dollar: Vermögenswerte wie Aktien oder Bitcoin steigen im Umfeld einer lockeren Geldpolitik, da die Zinsen niedrig sind und Geld reichlich vorhanden ist. Anleger suchen Rendite in Risk-On-Assets, die aufgrund ihrer Limitierung von der Geldmengenausweitung profitieren. In Zeiten der lockeren Geldpolitik ist der Dollar reichlich verfügbar und der DXY wertet entsprechend ab. Andersherum ist es in Zeiten der gelpolitischen Straffung, in der die Dollarmenge reduziert wird und höhere Zinsen mehr Rendite versprechen als Risk-On-Assets.

Fazit aus der Investment-Perspektive

Bitcoin ist ein neues Element, welches sich mittlerweile zu einer relevanten Größe im Gesamtkomplex der internationalen Märkte aufgebaut hat. Bitcoin sucht allerdings noch seinen Platz und die Phase, in der das Asset in eine bestimmte Rolle hineinwächst, befindet sich immer noch an einem frühen Punkt. Deswegen ist der Spekulationscharakter bei Bitcoin noch sehr stark. Das ist ein plausibler Grund für die enge Korrelation mit anderen Vermögenswerten an den übergeordneten Finanzmärkten – vor allem mit Aktien.

Die Halvings haben ohne Zweifel einen Effekt auf die Preisentwicklung, da das neue Angebot verringert wird und die Nachfrage nach Bitcoin – wenn man auf das langfristige Bild schaut – offensichtlich weiter steigt. Es wäre aus der Investment-Perspektive jedoch unklug, das Bitcoin-Halving als einzigen Grund für die Preisentwicklung heranzuziehen. Ich hoffe, dass die in dieser Kolumne genannten Punkte das veranschaulichen konnten. Letzten Endes ist es wohl auch dem Zufall geschuldet, dass die Entstehung von Bitcoin kurz nach der Finanzkrise 2008 sich zeitlich gesehen sehr gut in die, für die übergeordneten Finanzmärkte relevanten, Zyklen eingefügt hat.

Die Bewertung eines Assets aus der Investment-Perspektive ist immer ein Spagat und sollte natürlich nie nur aus dem Status Quo heraus, sondern immer auch unter Berücksichtigung der zukünftigen Entwicklung gemacht werden. Bei Bitcoin gilt das jedoch im Besonderen, denn ausgehend von der Rolle, auf die Bitcoin potenziell abzielt – eine Alternative zum derzeitigen Geldsystem zu sein – steht hier eine anhaltende und umfassende Transformation in Aussicht, da Bitcoin sich von einem in Dollar gepreisten, sehr spekulativen und von den angesprochenen Zyklen beeinflussten Asset, hin zu einem neuen Messwert für Vermögenswerte, Produkte und Dienstleistungen entwickeln könnte, der eine ganz andere Betrachtungsweise erfordert.

Wie weit Bitcoin auf diesem Adaptionspfad kommen wird, steht noch in den Sternen. Solange sich das Asset jedoch innerhalb der derzeitigen Bahnen bewegt, werden wohl vor allem die verschiedenen Finanz- und Wirtschafts-Zyklen ebenso wie die Halvings weiterhin einen signifikanten Einfluss auf die Preisentwicklung von Bitcoin nehmen.

Denken Sie langfristig!

Bitcoin befindet sich derzeit in einem Pre-Halving-Jahr. Ausgehend von vergangenen Preiszyklen könnte sich eine Wiederholung von 2015 in den Charts ausspielen. Was das bedeuten würde und warum der Markt darauf wahrscheinlich nicht vorbereitet ist, erfahren Sie in der neuen Video-Ausgabe von decentralist.

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