Interview

Bitcoin, Brötchen und Onlineshops: Was bedeutet finanzielle Unabhängigkeit? Ein Interview mit Lawrence Bahr von ShopinBit


In Berlin ist ein Onlineshop der besonderen Art ansässig. Der Betreiber, Lawrence Bahr a.k.a. Lando Rothbardian, setzt auf ein ungewöhnliches Konzept. Bei ShopinBit akzeptiert er ausschließlich Kryptowährungen und will damit seine Vision der „Mass Adoption“ umsetzen.

Wie kann man sich mit einem so eigenwilligen Konzept behaupten? Können Kryptowährungen im Falle eines Crashs überhaupt hilfreich sein? Und wie kommt man dazu Brot für Bitcoin anzubieten?


Lawrence, schön dass du dir die Zeit genommen hast. Wie bist Du zu Bitcoin gekommen?

Mein Weg zu Bitcoin hat 2011 über das Selbststudium der österreichischen Schule geführt. Und dann nahm bei mir, wie vermutlich bei vielen anderen auch, einfach das Interesse an den Möglichkeiten der finanziellen Freiheit immer mehr zu. Und so habe ich dann immer mehr im Whitepaper von Bitcoin gestöbert und neue Aspekte für mich entdeckt.

Und irgendwann hat es einfach „Klick“ gemacht und dann hat mich das Thema bis heute gefangen.

Du betreibst zwei Onlineshops, einer davon akzeptiert ausschließlich Kryptowährungen. Wenn du die Entwicklung beobachtest, wie denkst du über den Trend, auf Brückenprodukte zu setzen? Es gibt bald kaum Börsen oder Broker, die keine Kreditkarten anbieten oder zukünftig anbieten wollen.

Das braucht absolut niemand! Wenn wir in der Entwicklung zurückschauen, sprich in den Jahren 2015 und 2016, dann waren Krypto-Kreditkarten wirklich sehr sexy. Sie fanden ihre Berechtigung in der mangelnden Akzeptanz von Kryptowährungen als Zahlungsmittel.

Das hat sich aber stark verändert, Kryptos werden zunehmend akzeptiert, nicht nur in meinen Shops. Und somit laufen diese Karten dem Grundgedanken von Kryptowährungen komplett entgegen. Angefangen bei der Selbstverwaltung, denn die Coins liegen dann auf der Börse und nicht in deinem Wallet.

Am Ende hat man nur ein neues PayPal.

Aber die Leute lieben PayPal, denen geht’s als Unternehmen gut.

Stimmt, sie sind aber auch Teil eines Finanzsystems, was wirklich ganz kurz davor ist, einen Genickbruch zu erleiden. Ohne den Aluhut aufsetzen zu wollen, noch deutlicher können die Zeichen nicht werden. Die FED hat Ihre Reservebestimmungen auf 0% gesenkt.

Damit haben wir den zweiten wichtigen Punkt, der für Kryptowährungen und gegen Kreditkarten spricht. Warum will man dieses System noch unterstützen, indem man dessen Kreditkarten verwendet?

Und der dritte Punkt, den ich hier sehe, ist die Bequemlichkeit den Leuten „Crypto Adoption“ vorzugaukeln.

Es wird kein Anreiz für Unternehmer geschaffen, wenn sie am Ende nur eine Kreditkartenabrechnung sehen, aber nicht verstehen können, dass es sich hier um eine Zahlung mit Kryptos handelt.

Kryptowährungen als Zahlungsmittel

Besteht hier nicht ein Henne-Ei-Problem? Der Händler muss es in Euro umsetzen. Er hat keine Lieferkette, die es akzeptiert, er kann auch keine Verbindlichkeiten, wie beispielsweise seine Steuer damit zahlen. Wechselkurse sind das nächste große Problem. Woher nimmt man die Referenz? Sprechen diese Probleme nicht für Brückenprodukte als Lösung?

Das kann man alles auch ohne Kreditkarten lösen. Wir benutzen das „Cryptopanel“, das ist ein sehr gutes Plugin, damit meine Shops mir direkt auf mein HD-Wallet die Coins schicken ohne weiteren Mittelsmann. Und wenn man die Erkennung von eingegangen Kryptozahlungen nicht selber aufsetzen möchte oder kann, dann kostet es auch nur eine sehr geringe Gebühr im Jahr das erledigen zu lassen. Danach kann ich die erhaltenen Coins auf Bitalo oder Kraken gegen Euros tauschen. Unseren Wechselkurs nehmen wir von CoinMarketCap.

Und wo liegt jetzt der große Unterschied?

Ganz einfach, ich kann Vorkasse anbieten. Darüber komme ich mit sehr vielen Lieferanten ins Gespräch, denn die kennen sowas überhaupt nicht. Zumindest nicht, dass jemand von sich aus im B2B-Bereich freiwillig Vorkasse anbietet. Wenn sie selber die Coins akzeptieren, dann geht das Ganze sogar noch leichter und schneller.

Noch bezahle ich die meisten Lieferanten in Euros, jedoch setze ich stark auf Salamantex, die im Augenblick noch auf ihre BaFin-Lizenz warten. Das sollte die Sache enorm erleichtern. Denn die Gebühren sind bei Kreditkarten sehr hoch. Das Argument für Kryptowährungen ist also aus Händlersicht sehr stark.

Vorkasse, kein Chargeback, keine unnötigen Gebühren und sofortiger Zahlungseingang. Das ist unschlagbar!

Also handelt es sich eher um eine Mission den Unternehmern Kryptowährungen nahezubringen?

Genau, nur wenn sie auch in den unmittelbaren Kontakt mit Kryptowährungen geraten, haben sie auch die Möglichkeit etwas damit zu starten. In dem Kontext finde ich es auch einfach Klasse, was Salamantex mit ihren Terminals in dem Bereich aufgebaut hat.

Auch persönlich hat mir der Kontakt mit deren Team wirklich sehr viel Spaß gemacht. Es ist das Beste, wenn man auf Gleichgesinnte trifft, die einfach Bock auf „Adoption“ haben.

Gegenwind aus der Szene

Hat dich jemand schon mal für diese Passion für verrückt erklärt? Getrost nach dem Motto: Herr Bahr, nun nehmen sie doch endlich die verdammten Euros!

(lacht) Nun, auf einer E-Commerce Messe bin ich schon sehr schräg angeschaut worden. Ich lege bei ShopinBit großen Wert auf Datenschutz und Privatsphäre. Das war eigentlich das genaue Gegenteil von dem, was 90% der Aussteller dort propagiert haben. Die wollen alle mehr Daten von den Kunden. Wir wollen keine. Man braucht bei uns nicht mal ein Kundenkonto und kann dann auch noch relativ abgeschirmt mit Krypto bezahlen.

Das ist auch ein großer Unterschied zu PayPal. Die blenden Händlern nämlich sehr tief greifende Informationen und Statistiken über die Kunden ein. Wir sammeln erst gar keine.

Wirklich für verrückt erklärt wurde ich dort aber nicht!

Wenn man den Leuten erklärt, was man macht, dann sind die durchaus aufgeschlossen und verstehen das auch sofort.

Schlimm ist es erstaunlicherweise erst in der Krypto-Szene. Die erklären einen gerne mal für bekloppt. In dem ein oder anderen Forum stehen auch etwas längere Einträge, wo man mich offiziell für verrückt erklärt.

Wie gehst du damit um?

Ich blende das mittlerweile einfach aus. Man muss solche Leute ignorieren. Wenn du an der „adoption“ arbeiten willst, bitte, schreib mir eine Mail. Aber wenn du nichts beitragen willst, dann lass die Leute, die es machen, einfach in Ruhe.

Adoption als Prävention

Kommen wir mal zu dem eigentlichen Nutzen der „Crypto Adoption“. Du hast bereits den „großen Crash“ angesprochen. Können Kryptowährungen in einer Welt, in der alles so verzahnt ist, überhaupt etwas bewirken? Oder fliegt uns am Ende alles um die Ohren?

Ja, es kann definitiv helfen. Wenn man nämlich von einem totalen Versagen des Geldsystems ausgeht, so hat man sofort einen Ersatz. Wir können dann einfach in Bitcoin rechnen oder in Dash, Monero oder was du möchtest.

Aber hat der Crash Mitte März nicht auch gezeigt, dass alle in Richtung Euro bzw. Dollar flüchten, wenn es kritisch wird?

Wenn der große Crash wirklich kommt und wir von einem Kollaps sprechen, dann brauchen wir einen Ersatz. Und dieser sollte die alten Fehler vermeiden, sofort zur Verfügung stehen und möglichst einen gut funktionierenden Wirtschaftskreislauf bilden. Denn dann wird es keine Fluchtmöglichkeit mehr in Richtung Euro geben.

Mein Einsatz dient so gesehen der Prävention. Denn wenn es erstmal zu spät ist, dann bekommst du davon auch niemanden mehr überzeugt. Das muss schon vorher da sein, damit sich die Menschen dem auch zuwenden können.

Kommt es zum Überlebenskampf, dann wird es extrem schwierig jemanden zu überzeugen.

Den Eindruck habe ich auch, grade wenn ich mir Beispiele wie Venezuela anschaue. Der Podcaster Peter McCormack hat von seiner Reise dorthin berichtet und die Menschen scheinen in der Krise eher auf das Naheliegende zu setzen, nämlich US-Dollar. Bitcoin spielt anscheinend keine so große Rolle, wie man dachte.

Das sehe ich in diesem besonderen Fall ganz anders! In Venezuela beträgt die Durchdringungsrate von Kryptos im Mittelstand ca. 2 Prozent. Das klingt natürlich nicht viel, ist aber ein riesiger Erfolg. Und Peter McCormack hat die Leute, die unter diesen schwierigen Bedingungen an der Adoption arbeiten, massiv beleidigt.

Hat er das?

Ja, er hat sie als Ausbeuter bezeichnet, die versuchen einen Vorteil aus der Situation der Menschen in Venezuela zu ziehen. Er behauptet Kryptowährungen wären nur etwas für die Erste Welt. Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die unter diesen unmöglichen Bedingungen hart daran arbeiten etwas in Venezuela zu verändern.

Dies ist für mich ein Zeichen der Überzeugungsschwäche. Wenn du jemanden vor die Wahl stellst, wo er Geschäfte machen kann, dann wird sie vermutlich nicht auf Venezuela fallen. Viele wollen wie mit den Kreditkarten den einfachen Weg gehen und sind sich einfach zu fein um die echte, harte und teils undankbare Adoptionsarbeit zu leisten.

Hier gilt einfach das, was ich eben schon gesagt habe. Wenn du nichts beizutragen hast, dann geh den Wegbereitern für die Adoption aus dem Weg Bevor also wieder der nächste Bitcoin Podcast gestartet wird, sollte man sich überlegen was man praktisch für die Adoption tun kann. Wir brauchen Unternehmer, die effektiv etwas verändern.

Panem et circenses

Unternehmer ist ein gutes Stichwort: Auf zu den Backwaren! Wir haben bereits darüber berichtet, aber würden gerne mehr erfahren. Wie bist du dazu gekommen Brot und Kekse für Kryptowährungen anzubieten?

Das hängt leider auch mit dem Crash zusammen. Am 17. März hat die Federal Reserve verkündet, dass sie die Reservebestimmungen auf 0 Prozent senkt. Das bedeutet, das Banken die sich von der FED Geld holen überhaupt kein Geld mehr auf dem „Konto“ als Sicherheit haben müssen. Das waren vorher, wenn ich mich nicht täusche, insgesamt 10 Prozent. Für mich persönlich war dies das letzte Zeichen. Wenn sie jetzt nicht mal mehr das Reservesystem halten, dann ist das der Dammbruch.

Also habe ich mir überlegt, dass Produkte des täglichen Bedarfs mit in den Shop müssen. Dann habe ich über Social Media nach Lieferanten gesucht und bin in der Telegramgruppe vom CryptoDreieck auf jemanden gestoßen, der so was tatsächlich macht. Und so kam der Kontakt zu Kevin von BrotRock zustande.

Wir haben dann noch ca. eine Woche miteinander Nachrichten getauscht und geklärt, was sich jeder so vorstellt, und nun verkaufen wir gemeinsam frisches Hyperinflationsbrot!

Bitte was verkauft ihr?

Das Hyperinflationsbrot hat einen fixen Preis, den wir nicht in Euro, sondern in Satoshi festlegen. Dementsprechend aktualisieren wir den Preis in Euro, nicht umgekehrt. Somit kosten 500 Gramm Brot konstant 22.316 Satoshis (0.00022316 BTC).

Ich bin gespannt, wie viel Euros das Brot im Jahr 2021 Wert sein wird.

Und die 16.000 Tiernahrungsartikel? Hast du die auch aus dem Stehgreif organisiert?

Das war schon etwas länger geplant, weil ich immer wieder Anfragen für diese Artikel bekommen habe. Die Suche nach einem Lieferanten war etwas Unspektakulärer und nicht „Community Driven“, aber dennoch sehr wichtig und hat auch diese Partner von Kryptowährungen überzeugt.

Wobei ich gut verstehen kann, dass viele unsere Brötchen spektakulärer finden.

Wir bedanken uns herzlich bei Lawrence Bahr für das Interview!

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