Bitcoin-Automaten sind in Deutschland mittlerweile keine Seltenheit mehr. Trotzdem ist die Rechtslage immer noch relativ unklar, obwohl im Jahr 2020 große regulatorische Veränderungen anstehen werden.
Wir haben mit Herrn Dr. Grill telefoniert, seines Zeichens Geschäftsführer der Kurant GmbH, einem der erfolgreichsten Automatenaufsteller im benachbarten Österreich und damit gleichzeitig einer der ‚Big Player‘ in Europa. Wie betrachtet man dort den deutschen Markt? Kommt bald der große „Run“ auf das Geschäft mit Bitcoin-Automaten? Wird Bargeld vielleicht abgeschafft?
Bitcoin Automaten in Deutschland
Im März 2019 haben Sie in einem Interview eine Einschätzung zum deutschen Markt für Bitcoin-Automaten gegeben. Ihr Urteil war beinahe vernichtend. Hat sich Ihre Einschätzung geändert?
Insgesamt ist der deutsche Markt nicht viel weiter, als vor einem dreiviertel Jahr. Die regulatorischen Anforderungen sind nach wie vor sehr hoch und bisher hat diese Reglements keiner unserer Mitbewerber überwinden können.
Wenn man ‚CoinATMRadar‘ besucht, dann könnte man aber meinen, da tut sich was. Ein Unternehmen firmiert unter dem schwungvollen Namen „Shitcoins Club“. Die Automaten haben keine Limits und laut der Website fordern sie wohl kein KYC-Verfahren von den Kunden.
Ich sehe natürlich auch die Entwicklung, die sie beobachten und beschrieben haben. Dass jetzt Teilnehmer mit unprofessionellen KYC- und AML-Verfahren an den Markt gehen, ist aber kein Aufbruchssignal für wirklich professionelle Unternehmen, ebenfalls das Parkett zu betreten. Ganz im Gegenteil, die ‚Kurant GmbH‘ platziert sich seit erster Stunde als seriöser Marktteilnehmer und möchte daher Abstand zu dieser Entwicklung ausdrücken.
Der Grund dafür sind die Lizenzen, die von BaFin immer noch vorausgesetzt werden. Diese Lizenzen sind denen von Banken sehr ähnlich. Das macht Deutschland aus kommerzieller Sichtweise weniger attraktiv, weil der Prozess des rechtlich einwandfreien Betreibens eines Automaten sehr schwierig ist.
Es gibt aber auch den Versuch, Lösungen im Einklang mit den regulatorischen Anforderungen zu finden. In Berlin hat sich beispielsweise spot9 auf die Reise begeben. Könnten Partnerschaften zu Banken die Lösung für das Problem sein?
Wir beobachten den deutschen Markt sehr intensiv. Ich gehe davon aus, dass solche Partnerschaftsmodelle entsprechend zukunftsträchtig sein können. Was aber schon seit längerem bei Mitbewerben zu beobachten ist, sind Ankündigungen, die in der Öffentlichkeit ein gewisses Interesse hervorrufen.
Auf der anderen Seite scheint der Durchbruch aber noch in weiter Ferne zu sein, weil ein Rollout bis heute, de facto, nicht stattgefunden hat.
Insgesamt glaube ich, dass es ein gutes Modell sein kann, mit einer Bank zu kooperieren. Denn es ist natürlich im Sinne der ‚BaFin‘, gut aufgestellte und professionelle Vorgehensweisen am Markt zu etablieren. Aber auch hier gibt es leider zu viele, offene Fragen, deshalb wird sich voraussichtlich auch weiterhin keiner der etablierten, professionellen Anbieter aus der Deckung wagen.
Nicht jedes Unternehmen möchte auf eine Partnerschaft zu einer Bank angewiesen sein. Welche Lizenzkosten kämen denn konkret auf einen Automatenbetreiber zu?
Das hängt sehr stark davon ab, welchen Umfang das Geschäft haben soll. Sobald es jedoch um vollwertige Banklizenzen geht, betritt man ein kostenintensives Umfeld.
Der Königsweg wird darin bestehen, sich mit einem Institut, welches bereits über eine Lizenz verfügt, auf ein gemeinsames Produkt zu verständigen und dieses auf den Markt zu bringen. Dass ein Unternehmen aus dem Ausland den Markt betritt und versucht, mit einem eigenen Lizenzantrag den Markt aufzumischen, halte ich derzeit für eher unwahrscheinlich.
Umsetzung der ‚FATF Empfehlungen‘ im Jahr 2020
Bleiben wir beim Thema Regulierung. Die ‚FATF‘ hat mit ihren Empfehlungen für eine internationale Novellierung der Gesetzgebung gesorgt. Wie betrachten Sie diese Entwicklung allgemein und wie denken Sie, wird sich das auf Ihr Geschäft auswirken?
Wir begrüßen sämtliche regulatorischen Aspekte, die es gibt. Das liegt daran, dass wir, anders als auf dem deutschen Markt, tendenziell ein wenig reguliertes Umfeld in den meisten Ländern vorfinden. Dadurch gab es in der Vergangenheit unterschiedlichste Interpretationen der vorhandenen oder nicht vorhandenen Regularien.
Damit ging gleichzeitig auch eine starke Marktverzerrung einher. Wenn wir den österreichischen Markt als Beispiel nehmen, dann zeigt sich hier ein sehr großer Unterschied, wie die einzelnen Anbieter zum Beispiel mit anonymen Transaktionen umgegangen sind.
Das lag einfach an den unterschiedlichen Interpretationen, was möglich oder eben nicht möglich ist. Und von daher sind wir als seriöses Unternehmen an einer klaren Maßgabe interessiert, um volle Compliance zu erreichen.
Aber läuft die Auslegung der FATF Empfehlungen nicht in eine ähnliche Falle?
Die internationale Umsetzung fällt in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich aus. In Großbritannien hat die Bankenaufsicht in einem Papier vorgeschlagen, Open-Source-Software genehmigungspflichtig zu machen, wenn sie für Kryptowährungen vorgesehen ist oder damit in Zusammenhang steht.
Das Ganze ist sehr vage formuliert und vielleicht interpretiert man deshalb zu viel hinein. Dennoch, in anderen Ländern gibt es so etwas nicht.
Ich kann verstehen, dass Sie die unterschiedlichen Interpretationen in den verschiedenen Ländern sehen. Es gilt jedoch hervorzuheben, dass es nun eine gemeinsame Passrichtung gibt. Das ist extrem positiv.
Dass sich nun Behörden mit dem Thema Kryptowährungen beschäftigen, es eine Auseinandersetzung seitens der lokalen Bankenaufsicht gibt und sie ihre Meinungen bezüglich derer platzieren, ist ein großer und wichtiger Schritt. Wir sehen hier in Österreich einen konstruktiven und kooperativen Weg, den die Aufsichtsorgane gemeinsam mit den verschiedenen Krypto-Anbietern gehen.
Speziell in den letzten Wochen, in denen es auch darum ging, sich entsprechend zu registrieren, erleben wir einen sehr freundlichen, offenen und konstruktiven Umgang. Wir versuchen miteinander eine Interpretation der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu erreichen. Dadurch bekommen wir nämlich auch die Gelegenheit, uns selbst weiter zu entwickeln.
Was kleinere Anbieter betrifft, die KYC und AML bisher nicht ernstgenommen haben, so erwarten wir hier eine Konsolidierung des Marktes. Auch diesbezüglich hat sich unsere Prognose nicht geändert.
Birgt diese lose Zusammensetzung auf internationaler Ebene nicht auch das Risiko, dass in Zukunft etwas aus dem Ruder laufen könnte?
Wenn bestimmte Länder eine Vorreiterrolle einnehmen und plötzlich eine Anpassung an ihre Interpretation der Empfehlungen einfordern, dann bestünde mitunter die Gefahr, dass andere Staaten mitziehen. Am Ende könnte man an einem Punkt ankommen, den man in der Form gar nicht angestrebt hat. Ein solches Szenario wäre potenziell für die EU denkbar.
Ich kann nicht ausschließen, dass es zukünftig eine Art Mitläufereffekt zwischen den Ländern geben wird. Im Moment beobachten wir tendenziell eine behutsame und positive Vorgehensweise durch die Behörden.
Aktuell sieht man nicht, dass andere Länder bestimmte Vorgehensweisen voneinander übernehmen, schon gar nicht die restriktiven deutschen Vorgaben. Man versucht eher, in einem wenig regulierten Umfeld in Richtung eines gemeinsamen Reglements miteinander voranzuschreiten.
Die Branche wird dabei unterstützt und professionalisiert. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass man es an irgendeiner Stelle übertreibt oder das Geschäft gar kommerziell unattraktiv macht, wie es im Augenblick in Deutschland der Fall ist.
Wird das Bargeld bald verschwinden?
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. China hat relativ früh einen digitalen Yuan angekündigt. In Europa und auch in den USA will man nachziehen, der Stein ist aber noch nicht ins Rollen gebracht. Ihr Geschäft besteht daraus, eine Brücke zwischen Bargeld und Kryptowährungen zu bilden.
Steht uns die Abschaffung des Bargelds bevor?
Natürlich verfolge ich aufmerksam die Diskussionen, die es dazu gibt. Und es gibt Bestrebungen, die in diese Richtung gehen, das ist unbestritten. Man muss allerdings zwischen der langfristigen und der mittel- bis kurzfristigen Entwicklung differenzieren.
Für die kommenden Jahre erwarten wir, dass unser Geschäftsmodell weiter einen interessanten Ansatz darstellen wird, um genau diese Brücke zu schlagen. Irgendwann wird das Bargeld sicher zurückgedrängt werden, aber ich gehe davon aus, dass unser Service dadurch nicht verhindert wird und weiterhin für die Kunden attraktiv bleibt.
Wenn man die heutigen technologischen Fortschritte betrachtet, so hat man diese vor 20 bis 30 Jahren nicht vorhersehen können. Und deshalb halte ich es insgesamt für schwer zu prognostizieren, wo wir in fünf oder zehn Jahren stehen werden. Eine gewisse Transformation wird sicher stattfinden, aber ich schätze, es wird seine Zeit brauchen, bis man bei einer Abschaffung ankommt.
Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Dr. Grill für das Interview.