Kommentar

Diese 10 Krypto-Lektionen hätte ich gerne vor meinem ersten Bullrun gelernt

Charging Bull-Statue in New York
Bildquelle: © VOJTa Herout - stock.adobe.com

Der Weg hinein in das Krypto-Universum gestaltet sich für die meisten Investoren als abenteuerlicher Pfad. Egal, ob man vorher keine Berührungspunkte mit Investments hatte oder bereits ein Aktien-Veteran ist: der Krypto-Sektor ist seine ganz eigene Welt, in der andere Regeln herrschen als an den restlichen Finanzmärkten. Auch ich bin 2017 sehr blauäugig und unerfahren in diese Welt eingestiegen und war am Anfang überfordert.

Die folgenden 10 Lektionen, die ich seit 2017 auf die harte Tour gelernt habe, hätte ich gerne bereits in meinem ersten Bullrun gewusst:

1. Der Krypto-Markt funktioniert nicht wie die Aktienmärkte

Im Kern tut er das natürlich doch. Coins können auf Handelsplattformen hin und her getradet werden; Projekte sammeln Kapital ein, um sich zu finanzieren und ihre Ideen umzusetzen; Anleger können ihr Kapital investieren und Zinsen erhalten; Kredite können gegen eine Deckung aufgenommen und verwendet werden.

Doch auf struktureller – und kultureller Ebene – funktioniert der Krypto-Sektor ganz anders als die traditionellen Märkte. Es gibt zwar einige zentralisierte Anbieter, die ähnlich wie Banken oder Broker agieren. Doch im Kern wird der Krypto-Sektor von automatisierten, dezentral verwalteten Protokollen getragen, auf denen die Nutzer komplett eigenständig unterwegs sind und die volle Verantwortung für ihr Kapital tragen. Das ist der Kerngedanke hinter der Krypto-Welt.

Das bringt jedoch einige Herausforderungen mit sich. Zum einen muss man sich eine Menge technisches Knowhow aneignen, um den Krypto-Sektor in seiner vollen Bandbreite nutzen zu können. Das liefert sehr viel mehr Spielraum für technische Fehler, als es in der traditionellen Finanzwelt der Fall ist – in der Fehler im Zweifel auch rückgängig gemacht werden können, anders als in der absolutistischen Welt der Krypto-Algorithmen. Zum anderen fehlt es dieser automatisierten Welt teilweise noch an einheitlichen Regeln und in der Praxis geprüften Infrastrukturen. Das liefert eine Menge Spielraum für betrügerische Absichten, Hacking-Angriffe oder Kapitalverluste durch technische Fehler auf der Protokoll-Ebene. Als Investor muss man daher bei jedem einzelnen Schritt in dieser Welt ganz genau wissen, was man tut, sonst wird man schnell bestraft.

2. Bitcoin is King

Altcoins locken aufgrund ihrer niedrigen Bewertungen und dynamischen Preisentwicklungen mit besonderen Reichtums-Versprechen. Doch dieser Schein trügt überwiegend. Tatsächlich gibt es nur sehr geringe Zeitfenster, in denen sich ein Altcoin-Investment wirklich mehr lohnt als ein langfristiges Engagement in Bitcoin. Eine Outperformance mit Altcoins ist in vergangenen Krypto-Zyklen nur gelungen, wenn man am Ende eines Bärenmarktes bereits die Fundamente in vielversprechende Projekte gesetzt hat und diese bis zum nächsten Bullenmarkt-Top geritten hat.

Altcoins korrigieren in einem Bärenmarkt tendenziell deutlich stärker als Bitcoin, die meisten Altcoins überleben maximal einen Krypto-Preiszyklus und die Phase der parabolischen Preiszuwächse ist oft sehr kurz, was ein Timing enorm schwierig macht. Bitcoin hingegen überzeugt bisher mit seinem gnadenlosen Adaptionspfad, der den Preis langfristig in Fiat-Geld immer weiter nach oben treibt. Bisher ist jeder Investor, der seine Position in Bitcoin mindestens vier Jahre gehalten hat – was dem bisherigen Zeitraum eines Krypto-Zyklus entsprochen hat – deutlich positiv aus seinem Investment herausgegangen.

3. Altcoins sind keine Abkürzung zu schnellem Reichtum

Altcoins sind nicht nur aufgrund der in Punkt 2 beschriebenen Dynamiken kein besonders effizientes Werkzeug, um sich aus dem Nichts schnell Reichtum aufzubauen. Neben der sehr schwierigen Komponente des richtigen Markt-Timings gehört auch eine Menge Arbeit dazu, sich die richtigen Projekte auszusuchen. Die meisten Projekte starten als vielversprechende Ideen – und kommen nicht darüber hinaus. Nur wenige Projekte haben bisher ein langfristig überzeugendes Geschäftsmodell aufbauen können.

Man kann mit Investments in die richtigen Altcoins definitv einen extremen Multiplikator für das eigene Kapital erhalten. Doch dafür sind jede Menge Zeit, Energie und Ressourcen erforderlich. Nur die wenigsten Investoren werden wirklich reich mit Altcoin-Investments.

4. Man muss den Kapital-Fluss beachten

Der Krypto-Sektor hat wie bereits angesprochen seine ganz eigenen Dynamiken. Eine davon ist, dass Bitcoin das größte Zugpferd bleibt und die Richtung für den gesamten Krypto-Sektor vorgibt. Er eröffnet einen Bullrun und gibt dem Altcoin-Sektor in seinem Verlauf während eines Preis-Zyklus immer wieder Raum zum Atmen. Die Kapital-Rotation hat sich dabei in der Vergangenheit wie folgt abgespielt: Bitcoin -> Ethereum (als Hauptinfrastruktur für den Sektor) -> Altcoins -> zurück in Bitcoin und von Vorn.

Diese Rotation hat sich innerhalb der vergangenen Zyklen jeweils mehrmals ausgespielt. Durch die wachsende Relevanz anderer Ökosysteme wie Solana wäre es jedoch denkbar, dass sich die Rotation im zweiten Schritt nicht mehr nur auf Ethereum beschränkt. Ganz generell gilt jedoch: Bitcoin hat auch diesen Bullrun erneut eröffnet und wird ihn wahrscheinlich auch wieder beenden.

5. Pumpamentals VS Fundamentals

In einem Bullrun haben Hypes und Narrative ganz klar die Nase vorn vor fundamentalen Bewertungsaspekten. Wenn die Euphorie einmal von der Leine gelassen wurde und das Kapital von (neuen) Investoren in den Markt fließt, dann gibt es kein Halten mehr. Einzelne Tweets von einflussreichen Personen aus dem Space reichen bereits, um die Marktkapitalisierung von Projekten um mehrere Millionen Dollar in die Höhe zu treiben.

Das ist nicht unbedingt erstrebenswert, jedoch eine Tatsache. In einem Bullrun muss man nach den tatsächlichen Regeln spielen, um Erfolg zu haben. Wichtig ist jedoch, den Absprung früh genug zu finden und sein Mindset schnell aus dem Hype-Stadium wieder herauszuholen, wenn es notwendig wird.

6. Wir spielen nicht miteinander, sondern gegeneinander

Langfristig wird im Krypto-Sektor etwas mit gigantischem Potenzial aufgebaut. Eine neue digitale Infrastruktur, die viele unserer derzeitigen Probleme lösen kann, nicht nur was das Geldsystem angeht, sondern die wirtschaftliche Organisation generell. Doch als Altcoin-Investor in einem Bullrun ist die idealistische Perspektive nur ein schönes Beiwerk, in der Realität geht es darum, so viel Geld wie möglich am Krypto-Casinotisch zu verdienen, wenn das Spielrad sich wieder schnell dreht.

Wer zu spät abspringt und sich von seiner Gier und FOMO gefangen nehmen lässt, der endet als Exit-Liquidität für die wenigen Altcoin-Spekulanten, die früh an Bord gekommen sind und sich als erstes ihr Stück vom Kuchen sichern. Das Krypto-Casino ist – in der heißen Phase eines Bullruns – ein Ort, in dem man keine Freunde, sondern nur Kontrahenten hat und nicht alle können das Spiel gewinnen. Und es ist ein Spiel, darüber muss man sich auch im Klaren sein.

7. Es sieht immer so aus, als würden die anderen mehr Geld machen

In einem Krypto-Bullrun muss man sich auf sich selbst und die eigene Investment-Strategie konzentrieren. Vor allem die Krypto-Twitter-Bubble wird in dieser Marktphase zu einem Ort, durch den die Nerven schnell blank liegen können. Minütlich wird dort eine neue Chance präsentiert, die ein 100x verspricht und diverse Krypto-Influencer posten dort ihre astronomischen Gewinne und frühen Einstiege bei den neusten und glänzendsten Projekten.

In dieser Umgebung kann man schnell das Gefühl bekommen, dass man alles falsch macht und viel zu viel von der scheinbar großen Chance liegen lässt, die der Markt in dieser Phase bietet. Das ist jedoch ein Garant für impulsive Handlungen und Fehler. Solange man seine Hausaufgaben gemacht hat und sich eisern an die Grundprinzipien und die – im Optimalfall bereits vorher aufgestellte – Investmentstrategie hält, wird man mit Erfolg und mehr Wohlstand als vorher aus diesem Bullrun herauskommen. Und das ist das Einzige, was zählt.

8. Weniger ist mehr

Man kann nicht bei jedem heißen Projekt dabei sein, man kann nicht jeden Trade machen, jeden Airdrop mitnehmen und jede Strategie verfolgen. Der Tag hat nur 24 Stunden und die eigene Energie und das Kapital geraten bei jedem irgendwann an sein Limit. Je breiter und damit riskanter man sich aufstellt, desto schwieriger wird das Management des eigenen Portfolios.

Ein kompaktes, gut kuratiertes und an eine effiziente Strategie gebundenes Portfolio liefert weit mehr Chancen für Erfolg, als jedem Hype hinterherzurennen und dabei den Überblick zu verlieren.

9. Geduld ist eine Tugend – auch im schnelllebigen Krypto-Sektor

Der Trick ist, sich bereits in einer frühen Marktphase das entsprechende Wissen anzueignen und sich ein sorgfältig ausgewähltes Portfolio aufzubauen. Der Bullrun wird dann das meiste ganz von alleine machen. Auch wenn diverse Memecoins oder neue, gehypte Projekte scheinbar links und rechts des eigenen Portfolios durch die Decke gehen: Qualität, Timing und eine strategische Auswahl werden sich durchsetzen.

Ein Krypto-Bullrun ist zwar schnelllebig, jedoch lange genug, damit auch die eigenen Projekte ihre Zeit im Rampenlicht bekommen. Solange die grundsätzliche Strategie hinter den jeweils ausgewählten Positionen nicht durch neue Marktentwicklungen oder Entwicklungen bei dem Projekt selbst invalidiert wird, muss man im Zweifel abwarten und geduldig sein, auch wenn es wehtun kann.

10. Niemals die Steuer vergessen

Man muss immer das langfristige Bild im Blick behalten. Dazu gehört auch, dass nach einem Finanzjahr die Steuer anfällt. Anders als bei dem Handel mit Aktien müssen Krypto-Investoren sich komplett eigenständig um den Nachweis kümmern. Umschichtungen von einem Krypto-Asset in das nächste sind dabei ebenfalls steuerlich relevant.

Es gibt diverse Geschichten von Investoren, die ihre frühen Gewinne von einem Projekt in das nächste verlagert haben, nur um dann zuzusehen, wie ihre neue Wette in einem Totalverlust endet. Die Steuerpflicht auf den ursprünglichen Gewinn bleibt in diesem Szenario jedoch trotzdem bestehen. Deswegen ist es sehr wichtig, den steuerlichen Aspekt sowohl beim übergeordneten Markt-Timing (nach einem Jahr Haltedauer können Krypto-Assets steuerfrei verkauft werden), also auch bei Umschichtungen von Kapital zwischen Altcoins zu berücksichtigen.

Fazit aus der Investment-Perspektive

Ich hoffe, dass diese 10 Lektionen neuen Investoren dabei helfen können, ihren Weg durch den Krypto-Sektor erfolgreich zu bestreiten und dabei Fehler zu vermeiden, die bereits viele Krypto-Anleger in vergangenen Zyklen gemacht haben.

Bei all den Chancen und Risiken darf man auch nie vergessen, dass es im Krypto-Sektor, wie bei allen anderen Dingen im Leben, auch um den Spaß geht. Gerade in der Welt der Kryptowährungen spielt auch die lockere Internet-Kultur eine tragende Rolle. Man sollte also nicht nur verbissen seinen finanziellen Zielen hinterherjagen, sondern die Reise auch genießen und das ganze mit einem Augenzwinkern betrachten. Der Krypto-Sektor ist immer für einen Lacher zu haben, selbst in den dunkelsten Marktphasen.

Denken Sie langfristig!

An den Märkten wird in diesen Tagen stets nach der nächsten Krise und dem nächsten Kurs-Crash Ausschau gehalten. Steigende Kurse SIND jedoch die Krise. Warum das so ist und warum nur Tech-Werte und Bitcoin wirklich eine Wertsteigerung verzeichnen, erfahren Sie in der neusten Video-Ausgabe von decentralist.

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