Der Krypto-Sektor zeigt derzeit eine Marktstimmung, die so schlecht ist wie seit dem Zusammenbruch der Skandalbörse FTX Ende 2022 nicht mehr. Der Krypto Fear and Greed Index ist in der letzten Woche mit einem Wert von 30 zurück in das „Angst“-Territorium gerutscht. Zu Beginn der letzten Woche viel er um 21 Punkte, was einen der größten Tageseinbrüche der letzten Jahre darstellt. Der Index hat seit dem 11. Januar 2023 keinen Wert unter 30 erreicht. An diesem Tag lag der Bitcoin-Preis bei 17.200 Dollar, kurz nach dem Zusammenbruch von FTX. Seit diesen Tiefs konnte der Index sich mit einem Wert von 53 mittlerweile wieder zurück in den neutralen Bereich bewegen. Vor einer Woche lag der Indexwert jedoch noch bei 74 in der „Gier“-Zone. Der Index berücksichtigt Marktschwankungen, Handelsvolumen, Bitcoins Dominanz und Social Media Trends.
Die Gründe für den Kursdruck
Angst vor gebündelten Verkäufen: Zwei unmittelbare Faktoren für die schlechte Stimmung haben ihren Ursprung in der Angst vor großen Abverkäufen, denn sowohl die Krypto-Börse Mt.Gox aus auch die deutsche Regierung sorgen derzeit für ein neues Bitcoin-Angebot in Milliardenhöhe, welches vom Markt absorbiert werden muss.
Die Bundesregierung hat aus Beschlagnahmungen (unter anderem von illegalen Streaming-Plattformen wie MegaUpload) knapp 50.000 Bitcoins unter Verwahrung, die sie laut verschiedenen Medienberichten seit der letzten Woche in Tranchen auf den Markt wirft.
Der Treuhänder der im Jahr 2014 durch einen Hack pleite gegangenen Krypto-Börse Mt. Gox wird im Juli 2024 mit der Rückzahlung an die Gläubiger beginnen. Hier geht es um über 100.000 Bitcoins, die theoretisch von den Besitzern auf den Markt gestoßen werden könnten, da sie seit dem Verlust durch den Börsen-Hack damals um ein Hundertfaches im Gewinn stehen.
Es ist jedoch mehr die Angst vor diesen Verkäufen, die derzeit auf die Marktstimmung drückt, als der tatsächliche Verkaufsdruck, da der Markt zum einen liquide genug ist, um die Tranchen der Regierungsverkäufe relativ gut zu absorbieren. Zum anderen ist nicht klar, ob die Mt.Gox Gläubiger ihre Bitcoin-Bestände wirklich großteilig auf den Markt werfen werden, da es sich bei ihnen um frühe Bitcoin-Halter handelt, die eine starke Überzeugung für das Asset haben dürften.
Anhaltende Miner Kapitulation: Ein weiterer, entscheidender Grund ist die anhaltende Kapitulation der Bitcoin-Miner, die vermehrt ihre Bestände auf den Markt werfen, um das im April stattgefundene Bitcoin-Halving zu kompensieren, bei dem die Neuerzeugungsrate von Bitcoin – und damit der Umsatz der Mining-Industrie – halbiert worden ist. Miner müssen BTC-Bestände verkaufen, um die operativen Kosten decken zu können und ihre Mining-Geräte auf den neusten Stand zu bringen.
Seit Juni haben Bitcoin-Miner laut Daten von IntoTheBlock etwa 30.000 Bitcoin, umgerechnet zwei Milliarden Dollar, auf den Markt geworfen. Diese Verkäufe markieren die schnellste Verkaufsdynamik der Mining-Industrie seit Jahren und haben die Bitcoin-Bestände der Miner auf den niedrigsten Stand seit 14 Jahren gebracht. Dies ist ein wiederkehrendes Phänomen nach jedem Halving, da die Branche sich ausdünnt und nur die profitablen Miner mit den effizientesten Geräten und günstigsten Stromkosten am Markt bestehen bleiben. Dieses Rebalancing hat bisher in jedem Krypto-Zyklus nach dem Halving für temporären Preisdruck gesorgt.
Sommerloch & Hawkische Fed: Im übergeordneten Bild bleibt der Markt in der Schwebe, da die Liquidität als fundamentaler Treiber derzeit keine neuen Impulse liefert. Die letzten US-Inflationsdaten haben positiv überrascht, allerdings bleibt die US-Notenbank weiterhin auf ihrem hawkischen Kurs und hat mit nun nur noch einer implizierten Zinssenkung in diesem Jahr zuletzt für eine Enttäuschung gesorgt. Hinzu kommt die allgemeine Saisonalität, die für geringeres Momentum in der Sommerzeit spricht.
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Ein Blick auf die Charts
Das kurzfristige bullische Momentum hat sich bereits Mitte des Monats mit dem Verlust des 50-Tage-Trends (orange) und des 100-Tage-Trends (blau) verabschiedet. Bitcoin konnte die Mitte des Trendkanals zwischen 60.000 und 70.000 Dollar nicht halten und hat mit der jüngsten Korrektur an das untere Ende des Trendkanals angeklopft. In einem ersten Candlewick ging es bereits darunter und der 200-Tage-Trend (schwarz) ist als langfristiger Support in Erscheinung getreten. Der Kurs konnte die runde Marke von 60.000 Dollar vorerst als Support halten, doch nun tritt der exponentielle 21-Tage-Trend (rot) als entscheidende Marke auf, die es für die Rückeroberung eines positiveren Momentums als Support zu bestätigen gilt. Zu Beginn der neuen Woche versucht sich der Kurs an einer Etablierung oberhalb des Trends.
Bildquelle: TradingView.com
Sollte dieser sich jedoch als Widerstand erweisen, ist ein ernsthafter Retest des 200-Tage-Trends das wahrscheinlichste Szenario. Das stellt einen Make or Break Moment für die Instandhaltung dieses Bullruns dar, da sowohl der 200-Tage-Trend als auch das aus dem einfachen 20-Wochen-Trend und exponentiellem 21-Wochen-Trend bestehende Bullmarket-Supportband als entscheidende Lebenslinien für den Bullrun stehen.
Bildquelle: TradingView.com
Mit der jüngsten Korrektur ist der Kurs im Weekly mit einem Candlewick bereits deutlich unter das Bullmarket-Supportband und bis an den 200-Tage-Trend gerutscht, konnte sich jedoch zunächst wieder innerhalb des Bands re-etablieren und versucht derzeit, das untere Ende mit dem exponentiellen 21-Wochen-Trend als Support zu verteidigen.
Sollte Bitcoin diese entscheidenden charttechnischen Unterstützungen nicht verteidigen können, wäre das ein eindeutiges Signal dafür, dass der Kurs in eine längere bärische Phase oder im Zweifel in einen ausgewachsenen Bärenmarkt übergeht. Zunächst würde die Zone zwischen 52.000 Dollar und 48.000 Dollar als Support in den Fokus rücken. Ein starker Bounce von diesen Support-Levels zurück in bullisches Territorium oberhalb des Bullmarket-Supportbands und des 200-Tagetrends wäre ein mögliches Max Pain Szenario für Investoren, welches sich über den Zeitraum bis ins vierte Quartal 2024 ziehen könnte, sollte es zu einem Verlust der derzeitigen Supportlevels kommen.
Wie geht es weiter?
Was die Stimmung angeht, bleibt dieser Markt für Krypto-Investoren eine echte Herausforderung. Faktoren wie die hohen Zinsen und die Angst vor einer Rezession, sowie die unter der Oberfläche brodelnden Gefahren durch eine mögliche Krise im US-Bankensektor, durch den chinesischen Immobilienmarkt, die japanische Währungskrise, den Commercial Real Estate Sektor oder geopolitische Verwerfungen halten die Stimmung in einem angespannten Zustand. Andererseits bleibt die fundamentale Lage für den Krypto-Sektor vielversprechend, denn auf makroökonomischer Ebene bewegen wir uns in einen neuen Liquiditätszyklus, der die Kurse von Vermögenswerten im Allgemeinen und Risk-On-Assets im Besonderen weiter nach oben treiben wird.
Ein Worst Case Szenario könnte sich so ausspielen, dass Bitcoin die derzeitigen Supports nicht halten kann und sich in eine mehrmonatige Korrekturphase bis zum vierten Quartal 2024 begeben wird – mit einem ersten, signifikanten Kursziel im Bereich zwischen 48.000 und 52.000 Dollar. Dies würde in meinen Augen eine starke Kaufgelegenheit signalisieren, da ich davon ausgehe, dass sich im weiteren Verlauf der übergeordnete Liquiditätszyklus wieder durchsetzen und den Bullrun befeuern wird.
Noch ist allerdings das letzte Wort nicht gesprochen, dass wir die derzeitigen Supportlevels nicht halten können. Ich sehe Chancen, dass wir den Boden bereits gesehen haben oder das im Zweifel eine mögliche Korrektur bis in die Zone von 50.000 Dollar sehr schnell wieder aufgefangen wird. Die fundamentale Ausgangslage steht meiner Meinung nach weiterhin zu sehr zugunsten von Krypto, als das dieser Bullenmarkt wirklich bereits sein endgültiges Ende gefunden haben könnte.
Denken Sie langfristig!
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