Für den ersten Teil unserer Interviewreihe haben wir einen Gesprächspartner gefunden, der vielen in der Branche erst kürzlich aufgefallen sein dürfte. Die Cryptix AG hat in den letzten beiden Monaten viel von sich hören lassen und will mit ihren Produkten zukünftig kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) den Zugang zu Blockchain-Technologie ermöglichen.
Wir haben mit Herrn Koch telefoniert und ein interessantes Gespräch geführt. Welcher Unterschied herrscht zwischen Berlin und Zug? Kann man Bankberatern vertrauen? Und wie könnte der Bäcker nebenan von den Lösungen der Cryptix profitieren?
Bitcoin polarisiert in vielerlei Hinsicht unglaublich. Für manche eine Weltanschauung mit fast religiösem Charakter: Welche Bedeutung hat Bitcoin für Sie?
Gleich vorweg: Wir sind in diesem Zusammenhang nicht sonderlich religiös. Wir sind keine Bitcoin-Evangelisten, es muss nicht alles dezentral sein. Wir wollen im legalen Raum einen vernünftigen Mittelweg finden. Bitcoin und seine Technologie lieferten allerdings mit Sicherheit einen unglaublich wichtigen Denkanstoß für die gesamte Menschheit, um sich neu zu erfinden. Dadurch hat es in festgefahrenen Bereichen wieder mehr Bewegung und Chancen gegeben. Bitcoin hat in der Wirtschaft eine Tür geöffnet, sei es bei der Finanzierung von Unternehmen oder in der Verwaltung und auch ganz generell wie Menschen miteinander interagieren.
Hier ist „Trust“, Vertrauen, das große Thema. Ich muss niemanden mehr kennen, um mit ihm Geschäfte machen zu können. Durch diese neuen Möglichkeiten erschließen sich Märkte viel schneller und machen die Verbindungen zwischen den Protagonisten viel kürzer. Bitcoin bringt die Menschen zusammen, die Grenzen zwischen ihnen fallen. Im Prinzip hat uns Bitcoin mit der Blockchain die Basis dafür geliefert.
Also ist die strenge Dezentralisierung doch das Beste daran?
Bitcoin und die Blockchain bringen zwar eine gewisse Transparenz mit, aber es fehlt jemand, der sicherstellt, dass Gesetze eingehalten werden. Derzeit können wir nur abwarten, wie sich die Regulatoren in diesem Bereich entscheiden.
Mit unseren eigenen Produkten möchten wir einen Mittelweg gehen und die Vorteile der Dezentralisierung in Einklang mit den Gesetzen nutzen. Vor allem, um kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Konsumenten einen möglichst sicheren Zugang zu diesen neuen Technologien und ihren Vorteilen zu gewähren.
Interessant, wie sehen Sie denn die bisherigen Regulierungsvorstöße? Welche Auswirkungen erwarten Sie zukünftig auf dem gesamten Markt und auch auf ihr eigenes Unternehmen?
Generell bin ich für die Regulierung. Es ist einerseits sehr wichtig, dass ich als Unternehmer weiß, was ich darf und was nicht. Wenn es um das hart verdiente Geld des Mittelstandes geht, trägt man eine sehr große Verantwortung. Andererseits sollen Kunden gerade Dienstleistungen im Finanzbereich vertrauen können.
Ich glaube daran, dass man als Unternehmer Verantwortung übernehmen muss. Das ist zu Beginn bei sehr vielen Blockchain-Projekten nicht passiert, weshalb gerade Zahlungssysteme oftmals für illegale Aktivitäten missbraucht wurden. In diesem Zusammenhang unterstütze ich beispielsweise einige der diskutierten Regulierungsansätze, vor allem im Bereich der Geldwäsche.
Daraus erwächst allerdings auch ein neues Problem, nämlich eine potentielle Überregulierung, die die Flexibilität und dadurch die Weiterentwickung des Themas einschränken kann. Die Chancen die Bitcoin und die Blockchain – aber auch andere Technologien, wie Hashgraphs und Tangle – mitbringen, müssen entsprechend genutzt werden können. Es gilt das Thema als reale Chance ernst zu nehmen und zu schauen, wo die Grenzen liegen.
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Einige Grenzen werden aber auch ganz gezielt überschritten um etwas zu verändern. Inwiefern verträgt sich das mit den regulatorischen Vorstößen?
Das muss man sich sehr genau anschauen und dann fragen, wie das Framework aussehen soll und wo die gesellschaftlichen Grenzen verlaufen. Ohne davor Angst zu haben, dass bestimmten Interessensgruppen etwas weggenommen wird, alte Strukturen aufgebrochen werden oder man gar jemanden entmachtet.
Manche Vorstöße bestimmter Regime lassen deutlich erkennen, dass es um bestehende Machtgefüge geht. In vielen anderen Vorstößen, wie in Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein, erkenne ich, dass man die gebotenen Chancen nutzen möchte und damit verantwortungsvoll umgeht.
Deutschland und die Schweiz, ein schönes Stichwort. Ihre Firma ist ja in Zug ansässig und an drei weiteren, europäischen Standorten vertreten. Zug gilt ja als das „Crypto Valley“. Wo sehen Sie den Unterschied zu der Blockchain und Startup-Szene in Berlin?
In dieser Hinsicht kenne ich Berlin leider nicht mehr im Detail. Aber die Stadt ist mir anderweitig in guter Erinnerung geblieben. Aus meiner geschäftlichen Vergangenheit heraus liebe ich Berlin, was den E-Commerce betrifft! Das war und ist einfach ein „Meltingpot“ was Talent und Freigeist betrifft und man konnte zumindest damals richtig was bewegen. Wer eine gute Idee hatte, der fand alles vor was er brauchte.
Was den Blockchain-Bereich betrifft, wenn ich jetzt drei bis vier Jahre zurückdenke, war in Berlin der Blockchain Hub. Aber das „Crypto Valley“ war groß im Kommen mit Projekten wie der Ethereum Foundation, die uns damals als Vorbild gegolten haben. Da konnte man einen ganz besonderen Spirit fühlen.
Es gab Regulatoren und Politiker, die sehr viel möglich gemacht und bewegt haben. Zum Beispiel wurde dafür gesorgt, dass man in Zug mit Bitcoin Amtsdienstleistungen bezahlen kann. Und das waren für mich die richtigen Signale, die damals deutlich für den Standort Zug gesprochen haben.
Ihr Unternehmen möchte kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zu Blockchain-Technologie ermöglichen. Das klingt nach einer großen Herausforderung. Wo profitieren kleine Unternehmen konkret von Ihren Lösungen?
Wenn man es jetzt speziell auf Kleinunternehmen bezieht, profitieren diese von meiner Erfahrung in diesem Bereich. Ich war im Alter von 19 Jahren bereits selbst Kleinunternehmer in der Steiermark und war mit meinem Handelsunternehmen überwiegend regional tätig. Ohne das nötige Kleingeld war es sehr schwierig, sich über die Landesgrenze hinaus eine Basis aufzubauen.
Heute sehe ich bei Kryptowährungen speziell das Potenzial in der Geschwindigkeit bei Transaktionen und die geringeren anfallenden Gebühren. Ganz zu schweigen von der schnelleren Verfügbarkeit der Mittel.
Blockchain-Technologie eliminiert das „Trust-Problem“. Ich kann im Einkauf, auch über Landesgrenzen hinweg, besser mit dem Großhandel zusammenarbeiten. Wenn man es richtig macht, dann bekommt man sein Geld schneller, hat mehr Sicherheit und kann ganz einfach sein Geschäft schneller vorantreiben.
Ich sehe hier die größten Vorteile für alle, die größer und stärker werden wollen. Aber wenn Sie das jetzt auf den Bäcker von nebenan beziehen, ist der Schlüssel, dass man wirklich einfache Services, wie Digital Payments, anbietet. Genau daran arbeiten wir gerade.
Wenn Sie die Möglichkeit hätten eine Botschaft in die Vergangenheit zu schicken. Welchen Rat würden Sie sich vor der Gründung der Cryptix AG selbst erteilen?
(lacht) Ich habe nicht viele Interviews geführt, aber diese Frage ist mir tatsächlich häufiger gestellt worden.
Ich kann gut mit der IT umgehen, mit digitalem Marketing, Produkte entwickeln, an den Markt bringen und verkaufen – speziell bei digitalen Produkten – da bin ich Profi. Aber ich wusste nicht, wie die Finanzwelt genau funktioniert und habe sehr viel in diverse Berater investiert und mit der Zeit war klar: Vertraue nicht auf Berater aus einer Welt, die du gerade neu erfinden möchtest.
Diese Menschen werden nicht gegen ihr Business sprechen, vor allem, wenn ganze Geschäftszweige wegfallen würden; manchmal war es schwierig, objektive Ratschläge zu erhalten. Da habe ich viel Zeit verloren.
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Gehen wir einmal weg von der Vergangenheit und wagen wir gemeinsam einen Blick in die Zukunft. Wo denken Sie wird sich Blockchain-Technologie niederschlagen? Ist das tatsächlich etwas, was da ist, um zu bleiben? Man könnte schließlich in vielen Bereichen auf andere Lösungen setzen, denn Blockchain-Technologie ist nicht zwingend.
Sie ist tatsächlich nicht zwingend und wenn man daran forscht, stellt man fest, dass man auch ganz schnell an ihre Grenzen stößt. Der Grundgedanke und der Ansatz sind definitiv sehr wichtig, aber es ist wichtiger, echte Dezentralisierung zu definieren und erreichen sowie Trust-Probleme zu lösen.
Ob die Technologie in Zukunft Blockchain heißen oder einen neuen Namen tragen wird, da wäre ich eher vorsichtig, was sich da am Ende durchsetzt. Im Moment glaube ich sehr stark an Blockchain-Technologie, aber nicht wie sie heute existiert.
Viele globale Probleme sind eng mit der zunehmenden Weltbevölkerung verbunden. Das meiste, was man von diesen Problemen lösen kann, ist organisatorischer Natur. Es geht um Steuerung von globaler Effizienz in verschiedenen Bereichen. Trust-Probleme, Verwaltung, und die Organisation zwischen den Menschen kann erleichtert werden. Ich glaube in diesem Bereich können wir in zehn Jahren eine sehr große Rolle von dezentralen Lösungen sehen – beispielsweise im Payment-Bereich oder in der Nachverfolgung von Waren mit Echtheitszertifikaten.
Denken Sie dabei auch mal an Entwicklungsländer und die Möglichkeit, Eigentum zu verwalten und zu beweisen. Es gibt Regionen auf der Welt, da geht ohne Schmiergeldzahlungen gar nichts. Da könnte man extrem viel machen. Diese Länder sind auch in gewissen Bereichen ein Zukunftsträger. Wobei man sie aktuell nicht als Markt begreifen darf, sondern genau solche Technologien dorthin bringen sollte, damit sie nicht ausgenutzt werden. Und ihnen somit die Chance einräumt, einen effizienteren und positiveren Lebensraum zu schaffen.
Wir sind in die Ferne geschweift. Kommen wir zurück in die Gegenwart, zurück nach Europa, nach Zug. Die Cryptix AG hat erst vor kurzem Blocktrade akquiriert. Wie passt das zusammen? Was haben Sie da geplant?
Unsere Vision ist die Zusammenführung verschiedenster Finanzservices in einem Marktplatz – dem erste Markplatz für Finanzprodukte, sozusagen. Dafür braucht man sonst viele verschiedene Apps und Webseiten, muss viele Onboardingprozesse durchlaufen und mitunter auch noch lange Wartezeiten in Kauf nehmen, bis man vollständig verifiziert ist.
Wir wollen in Form von einer Plattform alle Services verbinden und in digitaler Form massentauglich machen. Diese soll dann alle Varianten von Finanzprodukten vereinen, welche grössenteils aus der eigenen Schmiede aber auch durch Partner eingebracht werden. Der Endverbraucher soll schlussendlich die Möglichkeit haben alles an einer Stelle zu finden, wenn es um Geld geht.
Wenn man dieses Konzept in die Zukunft denkt und entwickelt, dann kann man das alleine schon aufgrund der neuen Technologien möglich machen und vor allem, weil man es reguliert tut. Für den Einkauf von Waren gibt es zahlreiche Markplätze, aber es gibt keine vergleichbare Plattform für Finanzprodukte. Für eine solche Plattform braucht man verschiedene Säulen. Zum einen natürlich die Krypto-Säule, aber auch die Trading-, Investment- und Crowdfunding-Säule. Diese existieren neben anderen Bereichen, wie etwa Payment, Banking, Charity und Insurance.
Da wird Blocktrade eine entscheidende Rolle spielen, denn wir wollen eine voll regulierte, digitale Asset Exchange bauen, die für unterschiedliche Zielgruppen interessant sein wird und neue Lösungen für KMUs und Privatpersonen bietet.
Das Wichtigste zum Schluss. Wo steht der Bitcoin Kurs heute in einem Jahr?
Ich darf keine Gewinnprognosen abgeben und möchte mich dahingehend enthalten. Aber es ist offensichtlich, dass Bitcoin noch ein paar fundamentale Probleme zu lösen hat. Zum einen das Skalierungsproblem, aber ich sehe auch Schwierigkeiten durch Miner-Konglomerate, denn es gibt heutzutage kaum noch unabhängiges Mining.
Ich glaube, dass sich Bitcoin langfristig sehr gut entwickeln könnte, aber nur wenn diese Probleme nicht mehr im Weg stehen.
Also sehen Sie Bitcoin mehr als eine Art digitalen Wertspeicher, als ein Zahlungsmittel?
Ja.