Coinbase ist ein Urgestein der Branche und dominiert bis heute den wichtigen US-Markt. Seit 2021 ist man auch in Deutschland offiziell zu Hause und hat Pläne für den Ausbau des EU-Geschäfts. Wir haben uns Anfang Oktober mit einem der Geschäftsführer von Coinbase Germany zum gemeinsamen Gespräch getroffen. Welche Features warten auf fortgeschrittene Trader und warum ist die Zukunft von Coinbase On-Chain?
Coinbase hat eine Offensive in Sachen Trading gestartet. Was ist Coinbase Advanced und welchen Nutzen hat es gegenüber der eigentlichen Plattform?
Jan Sell: Es handelt sich um Trading für Fortgeschrittene, welches ursprünglich aus unserem Pro-Tool entstanden ist. Lange Zeit gab es eine Trennung zwischen Coinbase und Coinbase Pro, die als Plattformen geteilt waren. Wir haben die Rückmeldung unserer Kunden gehört und dafür gesorgt, dass mit Coinbase Advanced nicht mehr eine zweite Plattform, sondern ein anderer Modus zur Verfügung steht. Wer professionelles Trading betreibt, hat jetzt alles aus einer Hand und muss auch keine Mittel mehr aufteilen. Der Zugang ist unkomplizierter und die Nutzererfahrung ist insgesamt verbessert worden.
Dazu gehören etwa beliebte Charting-Tools wie der RSI oder MACD sowie verschiedene Ordertypen. Was für viele Profis sehr interessant sein dürfte, ist der unmittelbare Zugang zu unserer API. Mit der Schnittstelle kann man eigene Algorithmen oder Tools anbinden und für das Trading nutzen. Auch die Gebührenstruktur ist anders und an die Bedürfnisse von Tradern angepasst. Die Preisstaffelung beginnt mit maximal 0,6% Taker-Fee oder 0,4% Maker-Fee und geht dann abhängig vom Handelsvolumen des Kunden stufenweise runter.
Coinbase ist eine der wenigen Börsen, die in Deutschland eine Erlaubnis von der BaFin erhalten haben und als Kryptoverwahrer reguliert sind. Welchen Stellenwert nimmt das Geschäft in Deutschland mittlerweile für das Unternehmen ein?
Jan Sell: Deutschland ist für Coinbase weltweit der drittgrößte Markt. An erster Stelle steht der US-Markt, der von Großbritannien gefolgt wird. Als zweitgrößter internationaler Markt ist Deutschland natürlich sehr wichtig für uns, was sich aber nicht ausschließlich an seiner Größe festmachen lässt. Die Community ist in Deutschland sehr stark und ihr Epizentrum liegt in Berlin, wo sich eine der stärksten Developer Communitys befindet.
Generell ist Deutschland von der Entwicklung her sehr spannend. Im internationalen Vergleich gibt es hier beispielsweise die zweitgrößte Anzahl an Bitcoin Full Nodes. Bisweilen kommt es zu Schwankungen und Deutschland überholt dann sogar die USA, wenn es etwa um Ethereum Full Nodes geht.
Wir haben also zwei Gruppen in Deutschland und es ist uns sehr wichtig sie beide zu erreichen. Zum einen den Mainstream und zum anderen die Community, die im Web3 beheimatet ist. Deshalb haben wir uns auch beeilt, die Ersten zu sein, die eine Lizenz von der BaFin erhalten.
Mit Base hat Coinbase im letzten Jahr einen eigenen Second-Layer auf Ethereum gestartet. Wie fügt sich diese Plattform in den Krypto-Kosmos ein?
Jan Sell: Base knüpft an diesen Gedanken an. Wir wollen Web 3 so einfach und zugänglich machen wie möglich. Doch dafür sind die Gebühren auf Ethereum aktuell einfach zu hoch. Ich bin mir nicht sicher, ob Ethereum hierfür längerfristig eine Lösung schaffen kann.
Base ist schneller und günstiger als die anderen Layer-2-Lösungen, ist aber genauso dezentral aufgebaut. Langfristig soll Base auch ein fester Teil unserer Apps werden, sodass unter anderem die Nutzer von Coinbase Wallet angebunden werden. Für Entwickler, die dApps für Base konzipieren, bedeutet das also den direkten Zugriff auf unsere Kundenbasis.
Aber kommt das nicht der Auflösung des eigenen Geschäftsmodells gleich? Wozu benötige ich noch eine zentrale Börse, wenn ich einen dezentralen Markt haben kann?
Jan Sell: Nein, in erster Linie ist das einfach eine Erweiterung unseres Service und stellt eine weitere Möglichkeit dar, unseren Umsatz zu stärken. Zusätzlich hilft uns Base, die eigenen Transaktionskosten weiter zu senken. Das betrifft etwa interne On-Chain-Transaktionen. Für Coinbase als Centralized Exchange wird es immer noch einen Platz geben, weil wir noch lange nicht bei der Mass Adoption angekommen sind. Die Zahl an Menschen, die eine sichere Fiat-Rampe mit einer Bank im Rücken brauchen, um das Ökosystem überhaupt zu betreten, nimmt also nicht ab.
In Europa taucht MiCA am Horizont auf und es ist absehbar, dass es relativ wenige Börsen sein werden, die am Ende die ganzen Standards erfüllen können. Coinbase kann das und bietet gleichzeitig die Tools, damit interessierte Anleger voll einsteigen können. Wer will, kann mit uns den Einstieg finden und direkt einen Schritt weitergehen und sich mit der Materie von DeFi oder Advanced Trading befassen.
Was werden denn die nächsten Schritte für Coinbase in Bezug auf MiCA sein? Was wird sich dadurch effektiv für euch ändern?
Jan Sell: Bei unserem nächsten Schritt wird eine MiCA-Lizenz an einem der europäischen Standorte beantragt und kann dann vermittels Passporting auf ganz Europa angewendet werden. Im übertragenen Sinne schalten wir den EU-Markt dadurch komplett frei.
Was sich dahinter im Einzelnen dann verbirgt, sind natürlich die ganzen Prozesse, die man benötigt, um ein lizensiertes Finanzdienstleistungsinstitut hochzuziehen. Hier sind wir bereits stark aufgestellt und haben in Deutschland, wie zuvor erwähnt, seit 2021 die Lizenz. Wir verfügen über ein sehr starkes Team und ein sehr gutes Verhältnis mit der BaFin und insofern wird sich intern nur bedingt etwas ändern. Grundsätzlich erhalten wir dann aber den Zugriff auf die Möglichkeit, Kunden in allen europäischen Ländern direkt anzusprechen.
Wird Coinbase Deutschland dann zum Dreh- und Angelpunkt für alle Kunden in Europa?
Jan Sell: Deutschland war als einer von mehreren Standorten im Gespräch und wir haben uns schließlich auf Irland als unser MiCA-Hub festgelegt. Es wird in jedem Fall darauf hinauslaufen, dass es eine europäische Entity geben wird.
Aktuell steht die US-Branche unter Druck. International schauen die Regulatoren sehr genau hin, wenn es um das Thema Krypto geht. Der Bärenmarkt begann 2022 und hat eine lange Durststrecke eingeläutet. Wo geht angesichts dieser Stimmung die Reise für den Markt hin?
Jan Sell: Generell ist meine Auffassung von der Gesamtsituation eigentlich eher positiv. Ich glaube, die Durchstrecke ist auch auf die Nichtregulierung zurückzuführen. Jetzt kommt der Druck von den Aufsichtsbehörden, weil sie selbst unter Zugzwang stehen.
In Europa haben wir zum Glück eine klare Sicht, was die Regulierung angeht. Gleichzeitig sehen wir mehr Use Cases über das Web3, die langsam auch Sinn ergeben für die Anwender und benutzbar sind.
Ich glaube, das größere Thema, das der Markt hat, ist eigentlich die Benutzerfreundlichkeit. Wenn man eine dApp benutzen will, muss man sich mit der Wallet einloggen. Mit dem Wallet muss man sich auskennen und dann eine Transaktion nach der anderen signieren, um zu guter Letzt festzustellen, dass man sein Ether fast verbraucht hat. Dieses System ist viel zu komplex und hat zu viel Friktion.
Es ist unser größtes Anliegen, diese Knackpunkte aus dem System herauszunehmen. Nur dann können wir die Dinge, die wir in Web2 machen, irgendwann genauso einfach in Web 3 machen. Und ich sehe da vor allem aus Berlin auch sehr, sehr viele Projekte, die wirklich gute Fortschritte erzielen und richtig coole Sachen bauen.
Das Web3 ist eine Zukunftstechnologie und ermöglicht, tatsächlich die Welt zu verändern. Wir haben einen Korb von 95 Prozent aller Projekte, die heutzutage live sind, die wahrscheinlich entweder Scam sind oder untergehen werden. Aber die restlichen 5 Prozent werden die Welt verändern.
Welche Projekte hast du da genau im Sinn?
Jan Sell: Ich muss in meiner Position mit solchen Aussagen vorsichtig sein, weil diese Projekte zum Teil bei uns gelistet sind. Wenn man sich aber größere Themen anschaut, wie z. B. Digital Identity on the Blockchain oder Remittance, dann gibt es in diesen Sektoren spannende Entwicklungen.
Wir sehen gleichzeitig aber auch immer mehr bestehende DeFi-Projekte, die jetzt langsam ihre ganzen UI- und UX-Probleme lösen, was den Zugriff darauf immer einfacher werden lässt.
Viele Börsen haben es unwahrscheinlich schwer in Bärenmärkten. Wir haben in Europa Insolvenzen und Schließungen erlebt, weil das Auf und Ab für viele Unternehmen nicht zu kompensieren ist. Ist ein rein auf Gebühren basierendes Geschäftsmodell gar am Ende und werden wir auf Dauer einen Shift in Richtung monatliche Gebühren sehen?
Jan Sell: Eine solche Möglichkeit gibt es mit Coinbase One, wo man eine monatliche Gebühr zahlen kann, mit der die Trading Fees bis zu einem bestimmten Volumen abgegolten sind. Coinbase One ist zusammen mit Base ein weiterer Weg für uns, um Umsätze kontinuierlich und dauerhaft zu steigern. Das Schöne ist, dass Base diesen geschäftlichen Aspekt mit der größeren Vision von Coinbase für das Web3 verbindet.
Die Zukunft von Coinbase ist also On-Chain?
Jan Sell: Ja, genau wie die Zukunft der Welt.
Wir bedanken uns herzlich bei Jan Sell für das Interview.