Die Tokenisierung verspricht allgemein eine Effizienzsteigerung, insbesondere für den Handel mit Aktien, aber auch mit anderen Assets und im Bankgeschäft. Dennoch ist sie eine Randerscheinung, die ihren Weg noch nicht in den Mainstream gefunden hat. Dabei gibt es bereits Unternehmen, welche die damit verbundenen Vorzüge nutzen und auf Blockchain-Technologie setzen. Wir haben uns mit Paul Huelsmann und Tim Janssen von FINEXITY zu einem Gespräch getroffen, um einen Einblick darin zu bekommen, wie das Unternehmen sehr unterschiedliche Wertgegenstände tokenisiert und sie als Anlageprodukte vermarktet.
Wie sind Sie auf diese Idee gekommen? Wie kommt man dazu, so unterschiedliche Wertgegenstände als Anlage tokenisieren zu wollen?
Paul Huelsmann: Die Idee kam uns zu der Zeit als ICOs ein großes Thema waren. Und das, was wir an ICOs spannend fanden, war die Art und Weise, wie Zahlungen bzw. Investitionen über die Blockchain abgewickelt wurden. Dabei handelt es sich zwar um eine riesige Effizienzsteigerung, aber die Assets selbst, daher in Form einer Unternehmensbeteiligung, sind an sich ist keine gute Investition für den Privatanleger. Dadurch haben wir uns mehr mit diesen Bereichen beschäftigt, weil wir natürlich auch auf privater Seite gefragt haben: Wie kann man investieren, was für Zugänge habe ich, welche Finanzierungsmethoden bestehen am Markt?
Und das, was uns immer gefehlt hatte, war einfach ein direkter Zugang zu qualitativ hochwertigen Assets mit maximaler Funktionalität. So ist FINEXITY schließlich entstanden.
Zu Beginn legten wir zu 100 % den Fokus auf Immobilien, weil es einer der wichtigsten Aspekte im Bereich der Portfolioallokation für den Privatanleger ist. Immobilien generieren nämlich einen konstanten Cashflow. Alle Einnahmen abzgl. Kosten werden ausgeschüttet und als Anleger profitiert man zusätzlich durch die Tilgung des Fremdkapitals als auch der potenziellen Wertsteigerung der Immobilie. Im späteren Verlauf haben wir danach das Angebot auf mehr Anlagen ausgeweitet.
Es sind ja wirklich sehr unterschiedliche Sachwerte, die tokenisiert werden. Darunter Luxusuhren, Immobilien, Kunst und Autos. Wie stellen Sie die Expertise sicher? Wie werden diese doch sehr unterschiedlichen Sachen bewertet? Eine Rolex ist schließlich eine komplett andere Baustelle als ein exquisiter Wein.
Paul Huelsmann: Wir haben sowohl intern als auch externe Experten. Bevor wir eine Asset-Klasse aufnehmen, beschäftigen wir uns bis zu zwei Jahre damit und danach tätigen wir die erste Investition. Das, was uns vom Markt unterscheidet, ist, dass wir über unsere Aktionäre einen hervorragenden Zugang zu den Asset-Klassen haben, die wir heute anbieten.
Wir sind unabhängig von Venture-Capital-Unternehmen finanziert, das heißt, wir haben uns immer darauf fokussiert, in den letzten viereinhalb Jahren Aktionäre aufzunehmen, die uns einen Mehrwert bei der Wahl der Assets oder bei der Vermittlung bieten können. Dazu gehören größere Immobilienfirmen, aber beispielsweise auch Family-Offices, welche uns Zugang zu exklusiven Beteiligungsmöglichkeiten geben. Außerdem haben wir Experten für Diamanten, aber z. B. auch Kunstexperten über einen großen internationalen Kunsthändler. Damit haben wir uns ein Netzwerk aufgebaut, sodass wir immer sicherstellen können, dass wir über einen exzellenten Zugang zu den einzelnen Assets verfügen.
Was die Bewertung angeht, so läuft diese je nach Asset sehr unterschiedlich ab. Im Immobilienbereich greifen wir z. B. auf die gleichen Tools zurück, die auch Banken nutzen. Im Kunstbereich läuft das sowohl über Datenbanken oder über die Daten von öffentlichen Auktionen und geht bis zu Händlernetzwerken bei Weinen.
Es gibt Käse aus Serbien, der kostet 1.000 € pro Kilo, weil er aus der Milch von Eseln hergestellt wird, deren Zucht nur etwas über 200 Tiere umfasst. Es gibt also viele Dinge, die wertvoll oder exklusiv sind. Wie wird denn entschieden, welcher Sachwert überhaupt ins Portfolio aufgenommen wird?
Paul Huelsmann: Wir fokussieren uns nicht auf Skurrilitäten, sondern auf Asset-Klassen, die auch eine gewisse Marktgröße aufweisen, damit hinreichende Liquidität gewährleistet ist. Dies ist bei solchen Skurrilitäten oder Raritäten, welche sie angesprochen haben, eben nicht der Fall. Es gibt eine Reihe von Fragen, die wir uns im Vorfeld stellen. Wie groß ist der Markt? Wie gelangen wir oder wie bekommen wir Zugang zu diesem Markt? Haben wir vertrauensvolle Partner? Wenn nein, wie finde ich diese potenziell? Ein weiterer Punkt ist, dass wir immer versuchen, gewisse Korrelationen im Portfolio zu bilden. Was passiert eigentlich, wenn jetzt etwa der Immobilienmarkt fällt? Was für eine Korrelation hätte der Immobilienmarkt zum Markt für Weine? Schaffen wir es, für unsere Kunden, wenn sie gleich gewichtet investieren würden, über alle Asset-Klassen hinweg ein risikooptimiertes Portfolio darzustellen, was auch in Krisenzeiten performant bleibt?
Die Anteile an den Wertgegenständen und Investments werden bei FINEXITY tokenisiert. Bekommt der Kunde die Token tatsächlich direkt in sein persönliches, von ihm selbst verwaltetes Wallet?
Tim Janssen: Jeder Kunde kann sich ab 500 € beteiligen, bis vom Finanzierungsvolumen nichts mehr übrig ist und die Finanzierungsphase abgeschlossen ist. Bei der Finanzierung beträgt der Nennbetrag eines Token 1 €. Nach Abschluss dieser Phase wird dieses Finanzprodukt bzw. das Asset strukturiert und ein Smart Contract dafür entwickelt. Der Smart Contract enthält haargenau die Anzahl Token, die vorher im Finanzierungsvolumen eingesammelt wurden. Außerdem trägt der Smart Contract den Namen und die Bezeichnung zu diesem Produkt und wird dann auf der Blockchain gestartet. Nach der Tokenisierung erhalten wir die Anzahl der Anteile, die auf Basis der Investitionen an die Wallets der jeweiligen Anleger verteilt werden.
Die Kunden bekommen bei uns ein Wallet auf der Plattform und durchlaufen dazu einen eigenen Onboarding-Prozess.
Dadurch, dass wir einen Smart Contract entwickelt und veröffentlicht haben sowie die Anzahl der Token klar ist, verfügen wir im Ergebnis über eine Transfermethode. Damit wird jeder Token digital übertragbar und somit wandert das Produkt von der Finanzierung über die Tokenisierung in die Freigabe des Marktplatzhandels. Nach der Freigabe des Marktplatzhandels, sind Kunden in der Lage, Kauf- und Verkaufsangebote zu schalten. Sobald ein Kauf bzw. Verkauf stattfindet, kommt es zu einer Übertragung von Guthaben und Token in einem Zug-um-Zug-Geschäft. Jeder Kunde kann Geld auf sein virtuelles E-Geld-Konto auf der FINEXITY-Plattform senden. Neben der Krypto-Wallet zur Eigenverwahrung besitzt jeder Kunde auch ein virtuelles E-Wallet. Mit diesem Guthabenkonto können Einzahlungen und Auszahlungen auf das eigene Bankkonto getätigt werden.
Ein externer Interessent könnte also nicht dazu kommen und Anteile abkaufen, sondern das geht nur zwischen bereits registrierten Kunden?
Tim Janssen: Richtig, das geht auch nur auf unserer Instanz der Ethereum-Blockchain. Wir arbeiten daran, dass wir mit dem Release von Ethereum 2.0 unsere Plattform auch an diese Blockchain anbinden können, weil das den Vorteil hat, in einer öffentlichen Blockchain ungebunden zu sein und dem Kunden freistellt, dass er seine Anteile in seiner eigenen Wallet verwahren kann.
Ethereum 2.0 und Proof of Stake sind auch nach dem Merge ein spannendes Thema. Die Klimaschutzdebatte über den Sinn von Mining ist immer noch voll im Gange. Wie positionieren Sie sich zu dieser Frage? Ist Klimaschutz für FINEXITY in dieser Hinsicht ein wichtiges Thema?
Tim Janssen: Man muss das ganze Thema von zwei Seiten betrachten. Ich bin überzeugt, dass es in der heutigen Zeit essenziell ist, dass man ein effizientes Modell fährt, welches nicht übermäßig Ressourcen verschwendet. Das darf nicht sein. Als Unternehmen hosten wir unsere Infrastruktur komplett CO₂-neutral in Frankfurt am Main. Unsere Ethereum-Node läuft dort auch innerhalb eines Clusters und wir sorgen dafür, dass Transaktionen nur finalisiert werden, wenn diese auch gemined werden müssen, was gemeinhin schonender ist.
Aber grundsätzlich zu der Debatte selbst. Die Technologie, über die wir sprechen, ist noch eine sehr junge Technologie, welche sich durch die Umstellung von Proof of Work auf Proof of Stake anschickt, knapp 99,98 % der Ressourcen einzusparen.
Wie lange haben wir gebraucht, bis der Dieselmotor bestimmte Umwelt-Richtlinien einhält? Wie viele Jahre hat das wohl gedauert, bis die Innovation bei der Automobilindustrie stattgefunden hat? Aktuell revolutionieren wir die Finanzströme oder die Technologie, die dahintersteckt. Blockchain-Technologie bietet so viel Potenzial, welches jetzt erst ausgelotet wird. Ich denke, dass eine Banken-Infrastruktur, so wie sie heute existiert, bei Weitem mehr Strom verbraucht, als sie bei einer Umstellung auf Blockchain-Technologie verbrauchen würde. Wenn wir ein effizientes Blockchain-Modell implementieren und wenn es flächendeckend existiert, dann sparen wir auf der einen Seite die alte Infrastruktur und haben eine echte disruptive Innovation in diesem Umfeld und genießen dadurch große Vorteile.
Folgt aus dieser Gesamtsituation, dass Bitcoin sich auch verändern sollte? Es gibt ja tatsächlich eine ganze Reihe von Stimmen, die das fordern. Ist das der Weg? Ist Proof of Work überholt?
Tim Janssen: Wenn es tatsächlich mit Proof of Stake eine Alternative gibt, die so viel mehr Ressourcen einspart, dann würde ich sagen: Ja. Die Technologie hinter Bitcoin verbraucht immer schon sehr viel an Ressourcen. Das passt nicht mehr in unsere Zeit. Man hat das Lightning-Netzwerk angeheftet, um Mikrotransaktionen mit hoher Geschwindigkeit weiterzuverarbeiten. Warum spricht man da nicht von Fork-Ability und sucht nach einer Möglichkeit, den Algorithmus auch anzupassen? Bitcoin ist in dieser Hinsicht vielleicht sogar der Oldtimer unter den Kryptowährungen.
Am Ende des Tages entscheidet ja der Anwendungsfall als solcher. Für uns hat Ethereum alles das bereitgehalten, was wir für unsere Anwendung gebraucht haben. Wir benötigen die Möglichkeit, einen Smart Contract zu entwickeln und eine entsprechende Wallet-Infrastruktur und das haben wir dort alles bekommen. Wenn man sich ansieht, was an Frameworks mittlerweile existiert und wie modern und zeitgemäß diese sind, dann setzte ich lieber darauf als auf Bitcoin.
Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Huelsmann und Herrn Janssen für das Interview.