Es gibt ein schönes Sprichwort, welches besagt, dass „der Dumme es immer besser weiß, der Kluge aus seinen eigenen Fehlern lernt, der Weise jedoch aus allem und von jedem lernt“. Diese Weisheit ist in jedem Lebensbereich wertvoll, beim Thema Investieren bedeuten Fehler in der Regel Kapitalverlust. Zu hohes Risiko kann besonders in der Krypto-Welt schnell zu einem Totalverlust führen, von dem man sich nur schwer wieder erholen kann.
Mein größter Fehler
Deswegen möchte ich in dieser Kolumne von meinem größten Fehler berichten, damit andere nicht ähnliche Fehler begehen müssen. So viel vorweg: ich bin gottseidank mit einem blauen Auge davongekommen – das Erlebnis war jedoch trotzdem so einschneidend, dass ich einiges daraus gelernt und meine Investment-Einstellung definitiv noch einmal angepasst habe. Ich habe viele kleinere Fehler im Verlauf meiner Karriere als Krypto-Spekulant gemacht: Ich bin auf einen betrügerischen IOTA-Wallet-Seedgenerator reingefallen, der mein Wallet leergeräumt hat; Ich habe in eine Cloud-Mining-Firma investiert, die keine Lizenz hatte und dann geschlossen worden ist; ich habe mich am Daytrading versucht und es nicht ernst genommen; Ich habe in diverse Shitcoins investiert, ohne wirklich Recherche zu betreiben – sozusagen das Übliche.
Mein größter Fehler war jedoch definitiv mein Investment in das Projekt Terra Luna, beziehungsweise in dessen Stablecoin UST. Wie kam es dazu? Ich bin seit 2017 im Krypto-Sektor unterwegs. In meinem ersten Cycle bin ich von einem komplett ahnungslosen Neuling zu einem halbwegs versierten Krypto-Anhänger gereift und habe meine Sporen im 2018er Bärenmarkt verdient. Meinen Durchbruch hatte ich im letzten Bullrun in 2020, da meine Investments aus dem angesprochenen Bärenmarkt Früchte getragen hatten und mein Portfolio von einer nicht nennenswerten Größe zu einem Vermögen angewachsen ist, das meine Möglichkeiten deutlich verändert hat.
Das war ein Paradigmenwechsel für mich, den ich – in der Nachbetrachtung – aufgrund der Geschwindigkeit des Krypto-Sektors emotional wahrscheinlich nicht komplett greifen konnte. Ich war wie die meisten der starken Erwartungshaltung unterlegen, dass Bitcoin bis Dezember 2021 die Marke von 100.000 Dollar erreichen würde – mein Mindset war komplett im Bullenmodus. Die allgemeine Erkenntnis, dass die Party ihr Ende gefunden hat, hat den Markt im darauffolgenden ersten Quartal 2022 langsam aber sicher erreicht und auch ich habe das allmählich realisiert. Bitcoin war bereits im Bärenmodus und der Altcoin-Sektor hat sich ebenfalls schnell von den Exzessen verabschiedet. Ich habe etwa 10% meines Portfolios komplett aus dem Markt genommen (einen Betrag von 35.000 Dollar, wie ich im Titel bereits verraten habe) und das meiste meiner spekulativen Altcoins in die „sicheren Häfen“ Bitcoin und Ethereum umgeschichtet. Dies hatte wohl nicht nur damit zu tun, dass in mir die Erkenntnis gereift war, dass der Bullrun vorbei war, sondern viel mehr damit, dass ich beschlossen hatte mich mit meiner Marke „decentralist“ selbstständig zu machen und dafür einen ausreichenden Puffer haben wollte. In der Nachbetrachtung war dies natürlich nicht defensiv genug und ich habe einen Großteil meines Portfolios wie viele andere bis tief in den Bärenmarkt-Boden geritten.
Doch so schnell wechselt man nicht von einer ausgelassenen Bullen-Mentalität in eine im Bärenmarkt nötige Bescheidenheit. Mein Hirn war aufgrund der explosiven Gewinne der vergangenen Monate immer noch von Dopamin getränkt und wollte mehr. Die Renditen im DeFi-Sektor waren auch in den Nachwehen des letzten Bullruns immer noch enorm. Am meisten herausgestochen haben jedoch die Zinsen, die das Staking des Terra Luna Stablecoins UST geboten haben: saftige 20%, zeitweise sogar noch mehr, soweit ich mich richtig erinnere.
Der Gedanke war einfach: Wenn ich das Kapital schon nicht in Krypto-Assets mit Performance-Potenzial lagern konnte, dann sollte es eben Zinsen generieren und meinen Wohlstand weiter vermehren. Ich könnte an dieser Stelle behaupten, dass Terra Luna einer der großen Stars am Markt war und dass alle das Projekt gehyped hatten – niemand hätte im Voraus wissen können, dass es zu solch einem Fiasko werden würde. Das wäre aber gelogen. Zum einen gab es durchaus warnende Stimmen im Sektor und zum anderen habe ich keine wirkliche Research zum Projekt betrieben, sondern mein Kapital einfach naiv in den Stablecoin gepackt. Ich war der Ansicht, dass Stablecoins zu den sicheren Parkplätzen im Sektor gehören (doch wenn wir ehrlich sind, war es schlicht und einfach Gier).
Dann kam es wie es kommen musste und der Stern von Terra Luna ist im Bärenmarkt von 2022 mit atemberaubender Geschwindigkeit auf den Boden der Tatsachen gestürzt. Der Stablecoin UST hat sich von seiner Dollar-Parität getrennt und ist deutlich eingebrochen. Ich hatte – im Gegensatz zu vielen anderen Investoren – einfach nur Glück. Ich habe UST über einen Dienstleister gestaked, bei dem der Token-Unlock lediglich 24 Stunden gedauert hatte. Ich war dann doch so vernünftig, mein Kapital sofort nach dem Start der Ereignisse zu unlocken. Der Stablecoin hat sich nach seinem initialen De-Peg wieder an die Marke von einem Dollar angenähert und ich war im Endeffekt in der Lage, meine Position, die vorher deutlich im Plus war, mit einem Verlust von wenigen hundert Dollar auszucashen.
Was kann man daraus lernen?
Der Krypto-Sektor ist gnadenlos. Die wenigsten schaffen es, zum richtigen Zeitpunkt in die richtigen Projekte zu investieren und die berühmten 100x mitzunehmen. Und selbst aus dieser erlesenen Gruppe schaffen es nur die wenigsten, die gemachten Gewinne auch wirklich zu realisieren. Ich bin trotz allem sehr zufrieden mit meiner Performance aus dem letzten Bullrun. Die mitgenommenen Gewinne haben mir neue Möglichkeiten eröffnet und mein eisern gehaltenes Krypto-Portfolio hat sich seit dem Beginn des neuen Aufwärtszyklus glücklicherweise wieder sehr gut erholt. Trotzdem habe ich aus dem letzten Bärenmarkt gelernt, dass Gewinnmitnahmen wohl die größte Kunst beim Investieren in den Krypto-Sektor sind. Zudem kann ich nur betonen, wie wichtig die Recherche und das Risiko-Management sind, wenn man signifikante Positionen in einzelne Projekte investiert. Dart-Pfeile werfen mit kleinen Beträgen in Low-Cap-Altcoin-Projekte kann Spaß machen und im Bestfall große Gewinne bringen. Doch mit dem „ernsten“ Teil des Kapitals sollte man auch ernsthaft umgehen.
Riskante DeFi-Strategien, Investments in Hochrisiko-Projekte mit einem Großteil des Kapitals oder auch gehebeltes Trading sind mit einer viel höheren Wahrscheinlichkeit ein Rezept für einen Totalverlust als ein Garant für Reichtum. Die altbewährten Mittel sind zwar langweiliger, aber sehr viel erfolgversprechender: Dollar Cost Averging in Bitcoin und andere High-Cap-, High-Quality Projekte, exzessive Research und ein strenges wie striktes Risikomanagement bei Low-Cap-Altcoins.
In einer meiner vergangenen Kolumnen bin ich bereits auf das Thema Fehler beim Investieren eingegangen – jedoch auf einer eher analytischen Ebene. Wer mehr über die generellen Gefahren durch Denkfehler beim Investieren wissen möchte, vor allem krypto-spezifische Denkfehler – der findet mehr Infos in der entsprechenden Kolumne.
Ich hoffe, dass dieser Beitrag dabei helfen kann, dass der ein oder andere Krypto-Investor nicht dieselben Fehler macht, die ich oder andere in der Vergangenheit gemacht haben. Doch selbst wenn: Fehler sind menschlich, niemand ist frei davon und immerhin lernt man aus ihnen.
Denken Sie langfristig!
In der neuen Video-Ausgabe von decentralist spreche ich im Interview mit dem Literaturkritiker, Zeit-Korrespondent und Buchautoren Ijoma Mangold über die Auswirkungen des Bitcoin-ETFs, seine Sicht auf die deutsche Bitcoin-Community und das langfristige Bild für Bitcoin. Ein Blick lohnt sich.