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Deribit: Bitcoin-Derivate aus den Niederlanden

Robert Steinadler

Neben klassischen Exchanges, die sich entweder auf den Handel am Spotmarkt oder dem Handel mit Altcoins spezialisiert haben, gibt es noch eine dritte Kategorie. Hierbei dreht sich alles um den Handel mit sogenannten Derivaten. Derivate sind hochspekulative Finanzinstrumente, die wesentlich komplexer sind als klassische Anlageprodukte. Ganz allgemein leitet sich der Preis eines Derivats von einem Basisprodukt ab. Ein solches Basisprodukt kann beispielsweise eine Aktie sein oder eine Anleihe. Im Bereich der Kryptowährungen ist das Basisprodukt meistens der Bitcoin-Kurs, und mit den jeweiligen Derivaten kann auf seine Preisentwicklung spekuliert werden. Ein Vorteil von Derivaten besteht häufig darin, dass man nicht das Basisprodukt kaufen muss, um an dessen Preisentwicklung zu partizipieren.

Weil Derivate diese Preisentwicklung in der Regel überproportional nachvollziehen, bieten sie sich für zwei Zwecke an. Zum einen die Absicherung bereits getätigter Anlagen. Hält man beispielsweise Bitcoin und erwartet einen Preisverfall, so könnte man seine Anlage absichern, indem man mit einem wesentlich kleineren Teil seines Vermögens auf den fallenden Preis des Bitcoins spekuliert. Die zweite Möglichkeit besteht darin, schlicht zur Erzielung von Gewinnen zu spekulieren. Da Derivate es ermöglichen, bereits mit kleinem Einsatz relativ hohe Gewinne zu erzielen, erscheinen sie vielen Anlegern aus diesem Grund attraktiv. Jedoch ist auch das Risiko – unabhängig, zu welchem Zweck Derivate gehandelt werden – extrem hoch. Je nach Produkt besteht das Risiko des Totalverlusts der Einlagen oder sogar zur Nachschusspflicht, daher müssen in einem solchen Fall die durch den Handel entstandene Verluste ausgeglichen werden. Und zwar auch dann, wenn die Höhe des Verlusts die Höhe der Einlage übersteigt. Eine Nachschusspflicht ist jedoch bei den meisten Produkten, die im Krypto-Markt angeboten werden, nicht vorgesehen.

Es gibt verschiedene Arten von Derivaten, nicht alle werden von den verschiedenen Anbietern, die sich auf Kryptowährungen spezialisiert haben, angeboten. Die drei häufigsten sind Perpetual Swaps, Futures und Optionen. Es gilt zu beachten, dass die angebotenen Produkte nicht vereinheitlicht sind. Das bedeutet, dass beispielsweise der Perpetual Swap von Anbieter „A“ nicht zu den gleichen Konditionen angeboten wird, wie das gleichnamige Produkt bei Anbieter „B“.

Was bietet die Deribit Exchange?

Der größte Anbieter im europäischen Raum für solche Produkte ist das niederländische Unternehmen Deribit. Der Name leitet sich passender weise von den Begriffen „Derivatives“ und „Bitcoin“ ab. Es können drei verschiedene Derivate gehandelt werden. Also Perpetual Swaps, Futures und Optionen. Das zugrunde liegende Basisprodukt ist der „Deribit BTC Index“ und seine Preisentwicklung. Dieser Index wird aus den Preisen am Spotmarkt gebildet und orientiert sich an großen Exchanges, darunter beispielsweise Kraken. Somit leitet der Index den Preis für den Bitcoin ab. Zwar sind für die Zukunft auch Derivate zu anderen Kryptowährungen geplant, aber zurzeit sind diese noch nicht verfügbar. Eine Besonderheit gegenüber klassischen Anbietern von Derivaten ist, dass alle Verträge zwar in US-Dollar berechnet, aber immer in Bitcoin beglichen werden. Denn Ein- und Auszahlungen in Euro oder US-Dollar sind bei Deribit nicht vorgesehen.

Futures und Perpetual Swaps funktionieren vom grundlegenden Prinzip her sehr ähnlich, einer der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Produkten besteht im Auslaufdatum. Während die Futures einen festen Termin haben, zu dem der Vertrag spätestens beendet wird, haben Perpetual Swaps eine unbegrenzte Laufzeit. Beide Produkte können mit 100-fachen Hebel gehandelt werden. Das bedeutet, dass beispielsweise bei einer geleisteten Bitcoin-Einlage im Wert von 100 US-Dollar bis zu 10.000 US-Dollar zur Verfügung stehen, um Positionen zu eröffnen. Je höher der effektiv genutzte Hebel ist, desto höher ist auch das Risiko, seine gesamten Einlagen zu verlieren. Gleichzeitig steigt aber auch die Höhe möglicher Gewinne. Bei beiden Produkten ist es möglich, auf den Anstieg oder den Fall des Kurses zu spekulieren. Behält man mit seiner Einschätzung recht, dann bildet die Preisdifferenz die Gewinnspanne. Sofern die Spekulation nicht aufgeht, bildet die Preisdifferenz den Verlust. Eine ausführliche Erläuterung der Funktionsweise von Perpetual Swaps und Futures auf Deribit findet sich in der offiziellen Dokumentation der Exchange. Darunter auch mit einigen Beispielkalkulationen.

Handel mit Optionen

Der Markt für Optionen ist relativ jung und klein, zumindest im Bereich der Kryptowährungen. Deribit kann man durchaus als einen Pionier in diesem Segment bezeichnen. Optionen weisen im Vergleich zu Futures und Perpetual Swaps eine ganz andere Funktionsweise auf. Zwar setzt man auch bei Optionen auf sinkende oder steigende Kurse, jedoch zu ganz anderen vertraglichen Konditionen. Mit einer Option bei Deribit erwirbt man das Recht, eine bestimmte Menge Bitcoin zu einem bestimmten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kaufen oder zu verkaufen. Es gilt dabei zu beachten, dass die Option nur am Ende der vereinbarten Laufzeit ausgeübt werden kann und nicht während der gesamten Laufzeit. Außerdem wird von der Option am Ende der Laufzeit automatisch Gebrauch gemacht. Daher werden Gewinne und Verluste durch den Handel mit der Option am Ende ihrer Laufzeit automatisch gebucht. Beispielkalkulationen und eine umfassende Darstellung der genauen Konditionen finden sich in der offiziellen Dokumentation zu den Optionen.

Das Interface

Der Aufbau der Tradingoberfläche ist sehr übersichtlich, wobei Einsteiger mit den meisten Bedienelementen erst mal überfordert sein dürften. Mithilfe der Dokumentation und dem Communitychat kann man sich aber schnell Hilfe holen. Außerdem lassen sich alle Elemente auch anpassen, sodass man die Daten in den Vordergrund rücken kann, die man für besonders interessant hält. Professionelle Charts sind ebenfalls eingebunden, die alle notwendigen Tools für die technische Analyse des Marktes mitbringen. Ebenfalls positiv zu betrachten ist die deutlich höhere Anzahl an verschiedenen Ordertypen und Konditionen der Order. Bemerkenswert ist das deshalb, weil viele Exchanges für Kryptowährungen in der Regel nur mit einem sehr spartanischen Angebot an Ordertypen aufwarten. Da bei Deribit mit hohem Hebel u. a. Futures und Perpetual Swaps gehandelt werden, ist die größere Auswahl aber auch dringend nötig. Schließlich wollen Trader ihre Risiken und Chancen über die verschiedenen Feinheiten bei den Ordern zu ihren Gunsten beeinflussen können. In diesem Bereich vermisst man aber trotzdem sämtliche Trailing-Ordertypen. Da die Konkurrenz diese ebenfalls nicht implementiert hat, ist dies zwar kein exklusiver Minuspunkt, birgt aber dennoch Verbesserungspotenzial.

Server und Infrastruktur

Die Infrastruktur von Deribit kann überzeugen, mit Ausnahme von Wartungen sind die Märkte das ganze Jahr 24/7 geöffnet. Dabei können die Server eine extrem hohe Anzahl von Ordern und Zugriffen gleichzeitig bewältigen. Eine Besonderheit ist die Co-Location der Server, diese befindet sich in Frankreich. Professionelle Trader können, sofern sie dort bei dem gleichen Anbieter einen Server mieten, die Latenz für Zugriffe auf die Matching-Engine auf 0,1 Millisekunden senken. Außerdem stehen allen Usern die Test-Server zur Verfügung. Dort werden Updates zuerst implementiert und können ausprobiert werden, bevor sie reif sind und auf der Exchange umgesetzt werden.

Neben der Nutzung im Webbrowser stehen eigene Apps für iOS und Android zur Verfügung. Somit können Trader immer auf ihre Accounts zugreifen und sind nicht an die Nutzung eines PCs gebunden. Wem der Browser nicht genug ist, der kann verschiedene Programme nutzen, um auf Deribit zu handeln. Unter der Vielzahl der Tools befindet sich auch die sehr beliebte Trading-Plattform NinjaTrader. Außerdem gibt es die Möglichkeit, automatisiertes Trading über Bots zu realisieren. Hier bietet der Markt eine Fülle von kostenpflichtigen Angeboten an, aber auch quelloffene Projekte sind in dem Bereich aktiv. Wer selber programmieren kann und will, der findet eine umfassende Dokumentation der API vor.

Sicherheit

In Sachen Sicherheit hält Deribit die am Markt üblichen Standards ein. Nutzer können ihre Accounts und damit ihre Einlagen über Google-2 FA zusätzlich schützen. Nach eigenen Angaben des Unternehmens befinden sich lediglich 1 % aller Bitcoin Einlagen in einem Hotwallet. Der Rest wird in einem Coldstorage gelagert, welches in einer Bank unter Verschluss gehalten wird. Damit soll sichergestellt werden, dass der größte Anteil aller Einlagen vor Diebstahl gesichert ist, während die Nutzer keine Einschränkungen erleben und jederzeit Zugriff auf ihre Einlagen haben. Denn nach Angaben von Deribit können in der Regel gut 98 % aller Abhebungen aus dem Hotwallet bedient werden. Es scheint sich also um einen guten Kompromiss zwischen Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit zu handeln.

Lange Zeit mussten sich Nutzer nicht gegenüber der Börse ausweisen. Durch das voranschreiten der regulatorischen Auflagen, hat sich das aber geändert und ein standardmäßiges KYC -Verfahren ist Teil der Kontoeröffnung. Es gilt allerdings zu beachten, dass Kunden aus den USA und den Niederlanden von der Nutzung ausgeschlossen sind. Sofern man also verreist oder einen VPN im Ausland benutzt, könnte es ggf. zu Problemen kommen.

Community

Der eigene Telegram-Channel von Deribit stellt die schnellste Schnittstelle zwischen den Mitarbeitern von Deribit und den Usern da. Gleichzeitig bietet sich dieser Chat an, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen oder nach Tipps zu fragen. Wer ein ernsthaftes Problem hat, kann ganz klassisch eine E-Mail an den Support schreiben, um ein Ticket zu eröffnen. Ebenfalls sehr hilfreich sind die Videos über die verschiedenen Produkte und den Handel auf Deribit. Da jedes Derivat individuell und vergleichsweise komplex gestaltet ist, kann man sich zusammen mit der sehr umfassenden Dokumentation das notwendige Wissen aneignen.