Ein Kommentar von Robert Steinadler.
Ende Oktober sorgte ein Artikel von Forbes für Aufsehen. Die darin enthaltenen Behauptungen erheben sehr schwere Vorwürfe, nämlich dass Binance willentlich US-Regulierungsbehörden getäuscht haben soll. Dies soll angeblich durch ein unbekanntes Subunternehmen geschehen sein, welches in dem Artikel mit dem Decknamen „Tai Chi“ betitelt wurde.
Konkret behauptete Forbes, dass Binance Auflagen der SEC umgangen haben soll, indem man angeblich US-Kunden zur Nutzung eines VPN anriet. Demnach sollen auch Gelder durch „Tai Chi“ geflossen sein. Von der Existenz von „Tai Chi“ will Forbes durch eine Quelle erfahren haben, deren Namen man bisher schützen will. Dieser unbekannte Informant stellte den Journalisten angeblich auch Dokumente zur Verfügung.
Der Inhalt dieser brisanten Dokumentation soll laut Forbes wenigstens einem Teil des Managements von Binance bekannt gewesen sein. Nun zieht Binance wegen der Behauptungen in New Jersey vor Gericht und will erreichen, dass der Artikel zurückgezogen wird und außerdem Schadensersatz zu leisten ist.
Auf Kriegsfuß mit der Presse
Die von Forbes veröffentlichten Behauptungen beziehen sich auf Dokumente, die angeblich auf das Jahr 2018 datiert sind. Mittlerweile hat Binance aber ein laufendes Geschäft mit dem US-Ableger „Binance.US“ aufgebaut. Es ist daher nur verständlich, dass der Bericht alarmierend für die Unternehmensspitze ist.
Das US-Geschäft läuft zwar nur mäßig, wenn man es mit dem der Mutter vergleicht, aber es ist in Einklang mit den Auflagen in den USA aufgebaut worden. Der Bericht von Forbes hat das Zeug, das Vertrauen zwischen Aufsichtsbehörden und Binance massiv zu stören, und zwar nicht nur in den USA, sondern auch auf internationaler Ebene. Insofern ist die Klage sehr gut nachzuvollziehen.
Gleichzeitig mutet die Klage aber auch als regelrechter Übergriff gegen die Pressefreiheit an. Denn der CEO von Binance zeigte sich schon in der Vergangenheit als sehr streitlustig gegenüber den Medien. Damals drohte man das Magazin The Block zu verklagen, weil dieses über Razzien in den Büros von Binance berichtet hatte. Binance widersprach der Darstellung von The Block und verwies darauf, über keine Büros in China zu verfügen.
Binance selbst ließ zu der aktuellen Klage gegen Forbes verlauten, dass man die Pressefreiheit durchaus schätzt. Dennoch wirft das Gesamtbild die Frage auf, warum man im Umgang mit kritischer Berichterstattung so dünnhäutig ist.
Die Klage ist der richtige Weg
Es gibt angesichts der Situation nur zwei wesentliche Möglichkeiten, wie der Bericht von Forbes zu interpretieren ist. Entweder man ist auf eine wirklich heiße Story gestoßen oder man hat tatsächlich Unwahrheiten über Binance berichtet. In beiden Fällen ist der Gang vor Gericht wahrscheinlich der beste Weg.
Die Pressefreiheit wird in den USA sehr stark geschützt, daher hat es Binance nicht leicht zu beweisen, dass die Behauptungen böswillig oder schlicht gelogen waren. Außerdem wird der Prozess offenlegen, ob man sich lediglich an Ungenauigkeiten aufhängen möchte oder ob die Darstellung durch Forbes im Wesentlichen falsch war. Ungeachtet des Ausgangs werden diese Details die Absichten hinter der Klage offenbaren.
Denn letztlich stellt sich nur eine Frage: Will sich Binance schützen oder will man Kritiker mundtot machen?