Der Kollaps von FTX stand am Ende einer langen Kette von Skandalen, die den Markt im letzten Jahr nachhaltig geprägt haben und auch 2023 beschäftigen werden. Wir trafen uns mit Alexander Höptner noch im alten Jahr zu einem Gespräch, um seine Perspektive auf die Geschehnisse in Erfahrung zu bringen.
Milliarden von US-Dollar wurden verbrannt. Die juristische Aufarbeitung dauert zwar noch an, aber man kann schon jetzt feststellen: Anleger sind durch FTX betrogen worden. Ist das der Anfang vom Ende des Kryptomarktes?
Alexander Höptner: Das ist sicherlich nicht das Ende! Für diejenigen, die schon immer gegen Kryptowährungen und Blockchain-Technologie geschossen haben, ist die Causa FTX natürlich eine hervorragende Steilvorlage. Sie erleben ihren großen Moment und können sagen: „Seht ihr, ich habe es euch schon immer gesagt.“
Allerdings muss man zugestehen, dass es sich schlicht um Betrug handelt. Das, was Sam Bankman-Fried mit FTX aufgezogen hat, lässt sich wohl kaum anders bezeichnen. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass dieser Umstand nicht gegen die Technologie und ihr disruptives Potenzial spricht.
Wer hätte denn gegen diese kriminelle Energie ankommen sollen? Mit welchen Mitteln hätte man das im Vorfeld aufdecken können? Anscheinend hilft in einem solchen Fall auch keine Regulierung, denn daran hat es im Fall von FTX nicht unbedingt gemangelt. Demnach ist es auch wenig hilfreich gegen Exchanges zu wettern, denn wer dermaßen korrupt handelt, der ist auch nicht durch DeFi-Technologie aufzuhalten.
Obgleich es als gesichert gilt, dass FTX und Alameda einen großen Betrug aufgezogen haben, ist überhaupt nicht klar, ob am Ende auch angemessene Konsequenzen drohen. Wird Sam Bankman-Fried im Gefängnis landen?
Alexander Höptner: Bei einer CeFi-Börse weiß man wenigstens, wen man ins Gefängnis stecken könnte. Wenn ich mir den ein oder anderen Artikel der New York Times durchlese, dann stellt sich mir die Frage, ob der mediale Tenor nicht Resultat seiner Lobbyarbeit ist. Ob er am Ende eine Haftstrafe verbüßen muss, wird das zuständige Gericht befinden müssen.
Meines Erachtens ist es noch wichtiger, bei der laufenden Aufarbeitung genau hinzuschauen. Natürlich haben wir in den letzten 6 Jahren teilweise eine unschöne Entwicklung erlebt. Bei den ICOs kam es beispielsweise zur Kriminalität und jetzt auch bei FTX. Trotzdem sind grade dezentrale Geschäftsmodelle, wie ICOs, DAOs und DeFi-Applikationen richtig und wertvoll. Gleiches gilt auch für zentrale Börsen. Es gilt an dieser Stelle aufrichtig zu sein und kein Bashing zuzulassen. Die Aktien-Skandale der 70er und 80er-Jahre hat Hollywood mit großem Erfolg verfilmt. Dabei sind diese vergangenen Skandale ein Zeugnis, dass ein unregulierter Markt über weite Strecken mit Problemen zu kämpfen hat. Es ist alles schon mal dagewesen, die Probleme sind nicht neu und sicher nicht exklusiv für den Kryptomarkt.
Der CEO von Binance hat mit seinen Tweets dem Kartenhaus von FTX den Todesstoß versetzt. Er hat in aller Öffentlichkeit angekündigt, eine gigantische Menge von FTX-Token zu verkaufen und sein Misstrauen zum Ausdruck gebracht. Zu diesem Zeitpunkt war FTX der einzige ernst zu nehmende Konkurrent von Binance. Jetzt hat er Schätzungen zufolge 80 % Marktanteil. Ist das, was „CZ“ gemacht hat, ethisch vertretbar?
Alexander Höptner: Der Tweet, den wir alle gelesen haben, offenbart eine ganz schlimme Entwicklung. Twitter ist die Wahrheit. Dabei wissen wir es alle eigentlich besser. Auch das Imperium von SBF war im Wesentlichen auf Twitter aufgebaut.
Damit erhalten CEOs den Status von Influencern, nicht nur, aber auch in der Krypto-Welt. Ihre Meinungsäußerungen werden für bare Münze genommen und selten oder gar nicht überprüft. Elon Musk und viele andere haben es ja schon vorgemacht. Twitter hat eine eigene Macht als Kommunikationsmedium, das Firmen in die Knie zwingen oder extreme Auswirkungen auf Märkte haben kann. Das ist sehr schlimm, weil es keine unabhängige Presse oder Analysten gibt, die im gleichen Tempo arbeiten können, um solche Entwicklungen schnell genug zu kontern. Wenn ein falsches Bild einmal gefestigt ist, dann lässt sich das nur noch sehr schwer korrigieren.
Was CZ betrifft, so hat er sicherlich den Stein ins Rollen gebracht. Er hätte den FTT-Anteil von Binance verkaufen und nicht darüber tweeten können. Es gab jedoch eine Serie von Tweets, in denen sich SBF und CZ zuvor gegenseitig aufgezogen hatten. Dies spricht dafür, dass sich die Sache in eine schlechte Richtung entwickelt hat. Hätte CZ über diesen Dingen stehen sollen? Sicherlich. Es mag aus menschlicher Sicht verständlich sein, aber aus moralischer Sicht keinesfalls. Das Gleiche gilt für seinen gescheiterten Move, den Konkurrenten kaufen zu wollen.
Binance hat jetzt rund 80 % des Marktes fest in seiner Hand. Ist das der Moment, wo der Kryptomarkt durch ein Monopol gestört wird? Nimmt Binance für den Krypto-Kosmos bald den gleichen Stellenwert ein, wie Google für das Internet?
Alexander Höptner: Ich glaube schon. Es ist ein Rückschritt für den Markt, denn Monopolstrukturen sind nie gut, weil sie die Balance empfindlich stören. Binance war schon vorher klar die Nummer 1. Doch damit eine Nummer 1 weiterhin den Markt antreibt und nicht nur verwaltet, braucht sie auch eine Konkurrenz. Und da ist weit und breit keine zu finden.
Natürlich könnte man argumentieren, dass die Volumina von FTX am Ende nicht so hoch waren und Binance vorher schon absolut dominant war. Doch in Hinblick auf die Regulierung, die SBF zuletzt angestrebt hatte, hätte FTX durchaus eine gewisse Form von Konkurrenz sein können. Und das hätte bedeutet, dass Binance sich hätte bewegen müssen. Ansonsten wäre man in Bezug auf die Regulierung ins Hintertreffen geraten. Das sehe ich insbesondere deshalb so, weil es Binance voraussichtlich nicht so einfach haben wird, in allen Bereichen reguliert zu werden. Zumindest nicht in größeren Nationen. Damit fällt eine Entwicklung zusammen, die sich schon länger beobachten lässt.
Die großen Player der Krypto-Industrie haben sich davon verabschiedet, das Finanzsystem verändern zu wollen. Es ging um Demokratisierung, eine Revolution des Finanzsystems, welche die alten Strukturen aufbrechen sollte. Wenn man sich jedoch den aktuellen Status ansieht, dann reden und agieren diese Unternehmen genau wie die klassische Finanzindustrie. Da sind kaum Unterschiede. Wie kann ich Monopolstrukturen aufbauen, wie kann ich so viel Liquidität wie möglich auf meine Börse vereinen? Kollaboration zwischen den Unternehmen gibt es nicht. Obwohl der Gedanke der Kooperation der Blockchain-Technologie inhärent ist, schießt man aufeinander. Das ist eine Sackgasse.
Die Frage ist, was jetzt die Rettung aus dieser Situation heraus sein wird. DeFi bietet sich an, ist aber noch nicht ausgereift. Wir haben auch in diesem Sektor Skandale gesehen und DeFi ist noch nicht tauglich für den Massenmarkt.
Mit Alameda und FTX ist ein ganz starkes Backing für viele Projekte und Token weggefallen. Man denke zum Beispiel alleine an Solana. Alles, was dort irgendwie lief, erhielt von den beiden Unternehmen Geld oder wenigstens den Segen. Wird sich der Markt in dieser Hinsicht konsolidieren oder wird er nach wie vor ein spannendes Multi-Coin-Universum bleiben?
Alexander Höptner: Solana hat sicherlich dadurch gelitten, obgleich es dort viele interessante Projekte gibt. Die Blockchain und ihr Ökosystem sind weder falsch noch schlecht, aber es wird durch die enge Verbindung zu FTX und Alameda sicher nicht einfacher für die Teams.
Man muss sich hier vor Augen halten, dass es darauf ankommt, wie viele gute Entwickler bei der Sache bleiben und ihre ganze Arbeit auf einer Blockchain basieren lassen. Dort, wo interessante Projekte realisiert werden, ist auch zukünftig Platz für Wachstum. Ich gehe also davon aus, dass uns das Multi-Coin-Universum erhalten bleiben wird.
Wir haben jetzt in diesem Jahr überraschenderweise das gefühlte Ende des Kryptomarktes erlebt, aber so preislich gar nicht das Ende erreicht. Viele hatten schnell mit einem Kursziel für Bitcoin von 12.000 US-Dollar geliebäugelt. Sie waren wahrscheinlich überzeugt, dass es noch in 2022 sehr viel dicker kommen könnte, wenn die FED die Zinsen weiter erhöht. Das neue Jahr steht vor der Tür, die Branche ist nahezu kollabiert, doch der Preis ist gar nicht in der Region angekommen. Ist das der Tatsache zu schulden, dass viele Anleger im Kryptomarkt überwiegend keine Profis sind, sondern Privatanleger, die daran glauben ihre Coins „hodln“ zu müssen?
Alexander Höptner: In der jetzigen Makrophase ist das Hodling von Bitcoin ein probates Mittel. Niemand weiß, was noch in der Ukraine geschehen wird oder wie sich die Energiekrise weiterentwickelt. Die meisten Anleger ziehen ihr Geld aus allen Assets ab und haben Cash auf dem Bankkonto. Cash scheint in dieser Situation der Königsweg zu sein. Wenn man aber irgendwie die Befürchtung hat, das wird noch schlimmer, dann sind Cash-Reserven bei der Bank nicht sicher.
Lassen wir mal die Inflation völlig außen vor. Die ist in Deutschland nämlich vergleichsweise gering. Insofern sind solide Krypto-Werte wie Bitcoin eigentlich ein probates Mittel, um abzuwarten und zu sehen, wie sich die Situation entwickelt.
Die Situation ist also weniger davon bestimmt, dass die Anleger verkaufen, sondern dass sie ihre BTC auf ihre privaten Wallets ziehen, weil sie erst mal abwarten wollen, welche Börse am Ende das Rennen macht. Tatsächlich sehen viele einen Bitcoin-Kurs von 12.000 US-Dollar als Kaufgelegenheit, damit man billig einsteigen kann. Für diverse Token sieht die Situation weniger glücklich aus, die werden abgestoßen. Insgesamt darf man davon ausgehen, dass der breite Retailmarkt und damit die Klein- und Privatanleger, den BTC-Kurs in der Krise gestützt haben.
Wir bedanken uns herzlich bei Alexander Höptner für das Gespräch.